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  • Buch

    Vorwort

    Im Sommer 2013 entstand die Idee, eine Ausstellung zur Ästhetik des Widerstands in der Türkei zu organisieren und diese in Deutschland zu zeigen. Nur wenige Monate zuvor war im Istanbuler DEPO die Ausstellung Afişe Çıkmak zu Ende gegangen. Darin war die soziopolitische und kulturelle Geschichte diverser linkspolitischer und progressiver gesellschaftlicher Akteure in der Türkei, zwischen den 1960er und 80er Jahren, in Form von Plakaten und anderen zeitzeuglichen Dokumenten behandelt worden. Unser Projektinitiator Christian Bergmann, der als Politologe am Social Policy Forum der Boğaziçi Universität in Istanbul forscht, war nach dem Besuch im DEPO nachhaltig beeindruckt von den kreativen Formen des Protestes aus jener Zeit. Als sich dann nur wenige Monate später die Proteste rund um den Gezi-Park ereigneten, wurden die Parallelen in der Formensprache des Widerstands rund um den Taksim Platz zu den Ästhetiken in der vorher besuchten Ausstellung offenbar.

    Bei der Suche nach möglichen Partner_innen zur Umsetzung der Projektidee ergaben sich eine Reihe von fruchtbaren Kooperationen. So konnten wir z.B. Pablo Hermann vom Organ kritischer Kunst (OKK) aus dem Berliner Wedding gewinnen, das Projekt mit aufzubauen. Die Arbeit des OKK, fußt auf jahrelanger Erfahrung mit künstlerisch-aktivistischen Ansätzen. Weitere Projektmitglieder sind Duygu Gürsel vom Allmende e.V., Zülfukar Çetin, der als Gastwissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) tätig ist, sowie Çağrı Kahveci von der Alice Salomon Hochschule Berlin, die mit ihren Arbeitserfahrungen das Projekt um einen theoretischen Überbau mit wissenschaftlichen, analytischen Beiträgen erweiterten und somit Zusammenhänge, Kontinuitäten, aber auch Brüche und Unterschiede der verschiedenen Bewegungen in der Türkei, damals und heute, verdeutlichen konnten. Therese Koppe bereicherte das Projekt mit ihrem Themenschwerpunkt Video/Film und die Kunsthistorikerin Eva Liedtjens, sowie der Textilkünstler Jan Bejšovec waren maßgeblich für die Künstler_innenauswahl und das Ausstellungskonzept verantwortlich. In dieser Konstellation erprobten wir die kollektive Umsetzung. Sehr wichtig war und ist uns dabei der gruppenkuratorische Prozess.

    In der intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema wurde eine ästhetische Verbindung zwischen der Zeit der Widerständigkeit der 70er Jahre und heute deutlich – ähnlich einer Brücke, die die Zeit der Repressionen der Militärdiktatur und die verschiedenen Bewegungen von damals mit denen von heute zu verbinden vermag. Mit dem Projekt wagen wir den Versuch, die Türkei aus einem alternativen Blickwinkel zu betrachten, fernab des typischen soziokulturellen Fokus auf Themen wie Migration oder Religion. Wir wollen einem möglichst breiten und interessierten Publikum in Deutschland, die jüngere Geschichte der Türkei und ihre zahlreichen gesellschaftspolitischen und kulturellen Konflikte, sowie die Vielzahl der daraus entstandenen Protestbewegungen innerhalb der Zivilgesellschaft, näher bringen.

    Dabei liegt der Fokus der Ausstellung nicht allein auf der Metropole Istanbul, in der fast ein Drittel der Stadtbevölkerung der Türkei lebt. Im Rahmen der Ausstellungsvorbereitung unternahmen wir als Projektgruppe Anfang 2015 eine Recherchereise ins kurdisch geprägte Diyarbakır. Dabei unterstützte uns das Diyarbakır Sanat Merkezi, um vor Ort Künstler_innen und zivilgesellschaftliche Organisationen für unser Projekt zu gewinnen.

    Unsere kollektive Arbeitsweise spiegelt sich im Projekt selbst wider – so konnte in den letzten zwei Jahren in der Zusammenarbeit mit zahlreichen weiteren Unterstützer_innen die Ursprungsidee zu einem Projekt mit insgesamt mehr als 40 Teilnehmer_innen und Kollektiven aus verschiedenen Regionen der Türkei und Deutschland heranwachsen. Die Vielstimmigkeit ermöglicht eine Rückbindung an soziale Bewegungen in beiden Ländern – in einem Umfang, der in dieser Form und zu einem solchen Thema bislang beispiellos ist.

    Das dreigliedrige Projekt besteht aus einer Ausstellung, einer Publikation und einem Rahmenprogramm. In der Ausstellung werden dokumentarische Momentaufnahmen vom sozialen Widerstand im öffentlichen Raum durch künstlerische Reflexionen kontextualisiert. Das Nebeneinanderstellen von Fotografie, Video, Installation, Malerei, Plakatkunst und Archivmaterial ermöglicht eine assoziative Dokumentation. Die vorliegende Publikation beinhaltet wissenschaftliche, künstlerische sowie literarische Beiträge in Wort und Bild, die eine Vielzahl der in der Ausstellung enthaltenen Themen aufgreifen und ergänzen. Das Rahmenprogramm vertieft darüber hinaus einzelne Themenbereiche in einer Podiumsdiskussion, einer Performance, einem Karikaturen-Workshop sowie Filmvorführungen und Künstler_innengesprächen.

    Die neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) und ihre Kunstpolitik, die seit über 40 Jahren an der Schnittstelle zwischen gesellschaftlichen Fragestellungen und künstlerischen Strategien angesiedelt ist, hat sich als der ideale Ort für unser Ausstellungsprojekt erwiesen. Wir bedanken uns daher an dieser Stelle von ganzem Herzen bei allen Freund_innen und Kolleg_innen, die im Laufe dieser zwei Jahre so tatkräftig daran mitgearbeitet haben, das Projekt, immer wieder aufs Neue, weiterzuentwickeln und letztlich in die Tat umzusetzen.

    Berlin/Istanbul im Juni 2015

    nGbK-Projektgruppe 7713:
    Jan Bejšovec, Christian Bergmann, Zülfukar Çetin, Duygu Gürsel, Pablo Hermann, Çağrı Kahveci, Therese Koppe, Eva Liedtjens

    Einleitung

    –Melek Muștu Seufert, Zülfukar Çetin

    In der Vorbereitungsphase zu diesem Buch interessierten wir uns einerseits für die Entwicklungen innerhalb verschiedener gesellschaftlicher Bewegungen – angefangen bei den 60ern – und deren damaligen und heutigen Repräsentationsmodellen. Auf der anderen Seite jedoch interessierten wir uns für deren künstlerischen Vorsprung und ästhetische Reflexionen. Als ein interdisziplinäres Projekt konnten wir für dieses Feld schlussfolgern, dass es Gemeinsamkeiten in der Art und Weise des Gedenkens gibt – trotz Unterschieden in der Zeit und im öffentlichen Auftreten der verschiedenen Gruppen: Poster, Slogans, Tagebücher, Graffitis, Fotografien, Lieder, Filme und sogar Musikgruppen sind jene Elemente, die [von Bewegungen] übrig bleiben, die sie unvergesslich machen und dokumentieren und die Teil der Konstruktion des gesellschaftlichen Gedächtnisses sind.

    Wir entschieden uns deshalb das Buch in drei Hauptkapitel einzuteilen: Kollektives Gedächtnis, Kunst und Widerstand und Urbaner Widerstand. Auch wenn diese Titel untereinander aufgelistet sind, sollten wir uns dessen bewusst sein, dass die Themen miteinander verwoben sind und nicht getrennt voneinander gedacht werden können. So etwa der Gezi Park und sein Platz im kollektiven Gedächtnis, den er über die letzten Jahre eingenommen hat. Er kann als ein Widerstand gelesen werden – an dem auch die Kunst beteiligt ist – gegen die mit dem Bau eines Einkaufszentrums einhergehenden Zerstörungen. Dieser Widerstand entwickelt sich danach weiter und wird zu einem sich neu generierenden kollektiven Gedächtnis.

    Im ersten Kapitel, das sich mit dem kollektiven Gedächtnis auseinandersetzt, stellen wir uns folgende Fragen: „Was ist kollektives Gedächtnis?“, „Was ist darin enthalten, und was sagt es aus, wo begegnet es uns?“, „Was sind die Elemente, die dieses Gedächtnis erschaffen und wer generiert und wer vernichtet es?“.

    Unser Fokus in diesem Buch richtet sich auf Widerstand. Es ist nicht schwer, Beispiele in der Türkei dafür zu finden, dass die Veränderungen bzw. die Vernichtung und Auferlegung von einem kollektivem Gedächtnis nicht einfach angenommen werden. Es haben sich besonders in den letzten 10 Jahren starke Bewegungen gegen dieses fiktive Gedächtnis – oder die „Gedächtnislosigkeit“ – entwickelt. Dies sind Beispiele dafür, dass die Gesellschaft begonnen hat, ihr eigenes Gedächtnis wieder selbst herzustellen. In diesem Zusammenhang stellt sich heraus, wie wichtig Geschichtsschreibung ist. „Wessen Geschichte, wird wie geschrieben?“, „Wie gestaltete sich der Übergang vom Objekt zum Subjekt des Widerstands?“, „Wie transformierten sich dabei die Widerstandsformen?“, „Was waren die Errungenschaften, was die Verluste?“. Wir suchten uns – diesen Fragen folgend – Beispiele aus der feministischen, der kurdischen und der LGBTI* -Bewegung und von Interventionen im städtischen Raum aus. In diesem Teil des Buches offenbaren uns die Aktivist_innen, Künstler_innen und Akademiker_innen, entgegen der dominanten/offiziellen Geschichtsschreibung, eine Alternative, aber auch unverfälschte Geschichtsschreibung. Beispielweise geht es in dem Beitrag von Handan Koç darum, wie eine kleine Gruppe von Frauen der zweiten Welle des Feminismus es über die Jahre hinweg, durch ihren hartnäckigen Kampf geschafft hat, tausende Frauen gegen die staatlich unterstützte Gewalt von Männern zu bewegen. Sie erklärt uns, wie die Frauen im Laufe der Zeit so viel Zuspruch bekommen haben, dass sich die diskriminierenden Gesetze, die das patriarchale Denken repräsentieren, mit der Zeit zu Gunsten der Frauen verändern.

    In ähnlicher Weise sehen wir dies auch im Artikel von Zülfukar Çetin und Aras Göngör. Beide Autor_innen beschreiben, wie die LGBTI* -Bewegung zuerst durch die Organisierung gegen Gewalt an Trans* und deren Forderungen nach mehr Rechten anfing. Heute verteidigt sie die Menschenrechte und Pressefreiheit, unterstützt die kurdische Bewegung sowie die Arbeiter_innen- und Frauenbewegung und ist zu einer antimilitaristischen, emanzipatorischen und aktiven Bewegung geworden. Der Pride-Marsch ist eine wichtige Errungenschaft dieses Widerstands. Was sich allerdings davon ins Gedächtnis eingeschrieben hat, ist der Slogan – für manche eher schamlos – „Faşizme karşı bacak omuza“ („Gegen den Faschismus, Bein an Schulter“ statt der berühmten antifaschistischen Parole: „Faşizme Karşı Omuz Omuza!“ („Schulter an Schulter gegen Faschismus“)).

    Banu Karaca erörtert in ihrem Text über die Slogans von Gezi, wie der Gezi-Park zum Symbol für die Kämpfe und Interventionen im städtischen Raum wurde. Wir erfahren, wie die friedvollen Proteste gegen den Bau eines Einkaufszentrums auf der Grünfläche am Taksim Platz – im Stadtgedächtnis der Ort von Demonstrationen und Festivitäten – auf Grund der unverhältnismäßig hohen Polizeigewalt, Gruppen aus allen Gesellschaftsschichten im Gezi Park zusammen kommen ließen. Sie haben sich solidarisch und mit viel Humor widersetzt und in vielen Ecken [der Stadt] Spuren vom Geist des Gezi-Aufstands hinterlassen. Was für das Gedächtnis zu Taksim und Gezi übrig blieb, ist folgender Slogan, der ein neues Kapitel aufmacht: „Her yer Taksim, her yer direniş“ („Überall ist Taksim, überall ist Widerstand“).

    Can Sungu widmet sich in seinem Beitrag der Wahrnehmung von Arbeitsmigration, zwischen Deutschland und der Türkei, anhand von zwei Filmen: diese Menschen sind von der Türkei nach Deutschland migriert, weil sie sich ein besseres Leben erträumten. Dort angekommen mussten sie sich gegen harte Arbeitsbedingungen, Ausbeutung, sozio-kulturelle Veränderungen, Heimweh, und rassistische Diskriminierung zur Wehr setzen. Sowohl in der Türkei, als auch in Deutschland – je nach dem aus welchem Fenster man schaut – werden sie als „gurbetçi“/ „almancı“ („im Ausland Lebende_r“/ „in Deuschland Lebende_r“), „Gastarbeiter_innen“/ „ausländische Arbreiter_innen“, „muslimische Ausländer“ bezeichnet und befinden sich dadurch in der Schwebe einer identitären Positionierung.

    Şeyhmus Diken vermittelt uns – aus seiner Perspektive – den Geist der 68er, der die ganze Welt erfasst hatte und somit auch die Türkei. Die Massen forderten mehr Freiheiten und Rechte. In dieser Welle befanden sich auch kurdische Studierende und Intellektuelle, die sich gegen die soziale Ungerechtigkeit zwischen Ost- und West- [-Türkei] organisiert und Treffen abgehalten haben. Sie haben dabei darauf aufmerksam gemacht, dass die Geschichtsschreibung über die kurdischen Gebiete falsch ist. Die offizielle Ideologie wurde damit entlarvt und es fand der erste Schritt von „aus dem Osten sein“ („doğululuk“) zu einer Bewegung statt, die vom Kurdentum getragen wird und sowohl auf legitime, als auch auf illegitime Weise bis heute weitergeht.

    Das zweite Kapitel handelt von Kunst und Widerstand und konzentriert sich auf die Art und Weise, wie sich Kunst und gesellschaftlicher Widerstand gegenseitig beeinflussen und stärken. Wir wollten hier herausfinden, was die Rolle von Kunst innerhalb gesellschaftlicher Bewegungen ist und wie sich Repression, in Bezug auf bestimmte Bereiche und Gruppen und deren Widerstand dagegen, auf den/die Künstler_in bzw. die Kunstthemen auswirkt. Wir fragten uns hier, welche Veränderungen und Transformationen die Ästhetik des rebellischen Künstlers durchmacht und diskutieren dies dank der Beiträge von Kolleg_innen aus den jeweiligen Sparten des Dokumentarfilms, der Videokunst, der Karikatur, der Kuratorie, der Kunsttheorie und der Akademie.

    Mizgin Müjde Arslan präsentiert uns Filme aus den Kurdischen Gebieten mit einem Blick von ‚innen‘ durch ihre eigene Erfahrungen. Die Autorin interpretiert das, zu Beginn der 2000er, aufkommende Kurdische Kino – vor allem im Bereich des Dokumentarfilms – als das Bedürfnis nach Sichtbarkeit eines zeitweise geleugneten Volkes und seiner verbotenen Sprache.

    Im Anschluss daran erklärt uns Can Candan in seinem Text, in dem er sich die Geschichte des Dokumentarfilms in der Türkei näher anschaut, dass der Dokumentarfilm die Kämpfe gegen ethnische und religiöse Massaker, Menschenrechtsverletzungen, gegen verheerende Umweltpolitik und die Herrschaft von Kapital / Staat / Patriarchat festhält. Er will uns anhand von Beispielen zeigen, dass der Dokumentarfilm zugleich ein künstlerischer Widerstand ist, da er das persönliche und kollektive Gedächtnis, entgegen dem Ignorieren und Leugnen, lebendig hält.

    Cengiz Tekin ist in den 90er Jahren in den kurdischen Gebieten aufgewachsen, wo die staatliche Gewalt das Alltagsleben bestimmte. Die Analyse seines traumatisierten individuellen Gedächtnisses erfolgt durch Engin Sustam anhand von Tekins fotografischer Arbeit „Fotoğraf“ („Das Foto“). Der Autor möchte uns vermitteln, dass Kunst zu einem politischen Werkzeug wird – besonders dann – wenn das Kunstwerk von der gesellschaftlichen und politischen Krise des Gedächtnisses erzählt.

    Daran anknüpfend erzählt Şener Özmen, dass sich zu Beginn der 2000er eine Kunst- und Kulturszene in Diyarbakır aufgebaut hat und kurdische Künstler_innen aus Diyarbakır, die in Westeuropa leben, es mit ihren Ausstellungen auf internationale Plattformen geschafft haben. Er bezieht sich ebenso auf den Kampf dieser Künstler_innen für mehr Sichtbarkeit im Bereich der Gegenwartskunst in der Türkei, der mithilfe von Ausstellungen, Diskussionen und Kritik, nach wie vor geführt wird. Wir verstehen dank dieses Berichts, dass die Gegenwartskunst eine Lebens-, Denk- und Widerstandsform für Künstler_innen „aus dem Osten“ ist und ihre Werke neue Positionen in der Gegenwartskunst eröffnen.

    Feyyaz Yaman beschreibt uns in seinem Artikel die Beziehungen zwischen bildender Kunst und Politik in den 70ern angesichts der sozio-ökonomischen Transformationen im Land. Er weist darauf hin, dass der Freiheitsgeist der 68er das Grundprinzip für die politische und ästhetische Identität der 70er war. Er umschreibt die Kunstwelt in diesem Sinne als jung, aktiv und organisiert. Außerdem verfolgte er internationale und lokale Geschehnisse aufmerksam und definierte sich über die Beziehungen zur Straße und zur Politik, zur Gewerkschaft und zum Proletariat, zu den Bewohner_innen von Gecekondus (informelle Siedlungen) und zu den neuen Großstädter_innen, zur Partei und zu den Organisationen.

    Erden Kosova ergründet sehr umfassend die Reflexionen vom dynamischen politischen Klima auf Kunst und die Transformation der Kunstmittel seit den 80ern bis heute. In den 90ern etablierte sich die Installation und Performance als Kunstform und es erschienen Künstler_innen, die damit ohne zu zögern auf die spezifische politische Tagesordnung in der Türkei verwiesen. Durch die Biennale und andere unabhängige Kunstveranstaltungen erschuf sich ein alternativer Produktionsbereich, der als „zeitgenössische Kunst“ bezeichnet wurde und kühner als alle anderen kulturellen Disziplinen gesellschaftliche Probleme thematisierte. In den 2000ern diversifizierte sich die Kunst in ihren Ausdrucksmöglichkeiten, große renommierte Kunstinstitutionen entstanden und mit dem Einfluss des Kapitals im Kunstbereich sind kritische und rebellische Kunstwerke gegen die Kommerzialisierung von Kunst entstanden.

    Zeyno Pekünlü widmet sich in ihrem Beitrag der Archivausstellung „Sie haben Angst vor dem Wandbild“ („Duvar resminden korkuyorlar“), die 2013 in Istanbul stattgefunden hat. Sie zeigt auf, wie die Veröffentlichungen, die Teil der Ausstellung waren, die Debatten über Kulturproduktion und die staatliche Kulturpolitik in den 70ern zusammen bringen und wie die Hauptforderungen und -diskussionen den Erfahrungen in der heutigen Kunstszene ähneln. Sie versucht auf Grundlage ihrer Eindrücke von der Ausstellung zu vergleichen, inwiefern sich die damaligen Organisationsformen von Künstler_innen verändert haben.

    Cem Dinlenmiş erzählt uns von seiner Karikatur „Regenbogentreppen“ („Gökkușağı Merdiveni“) für die, wöchentlich erscheinende, Humor- und Satirzeitschrift Penguen. Im Licht der Regenbogentreppe, die im Zuge der Gezi-Proteste von einem Menschen aus der Nachbarschaft gemalt wurde und schnell populär wurde, blickt er auf Tayyip Erdoğans Selbstdarstellung im prächtigen neuen Präsidentenpalast.

    Im dritten Kapitel dieses Buches wollen wir den Diskursen und Debatten über urbane Widerstandsbewegungen Raum geben und in diesem Kontext auf das Thema Stadtumstrukturierung und auf die damit einhergehenden Diskurse und Debatten aufmerksam machen. Im Stadtleben in der Türkei herrscht eine staatliche Ausschluss-, Isolations- und Assimilationspolitik – wie es im globalen Vergleich auch der Fall ist. Wir wollen uns hier in gleichen Anteilen den Widerständen und Kämpfen dagegen und deren Errungenschaften und Verlusten widmen. Gentrifizierung basiert auf diskriminierenden Mechanismen, die entlang der Kategorien Ethnie, Klasse und Geschlecht operieren. Unsere Autor_innen stellen uns anhand verschiedener Beispiele vor, wie durch Gentrifizierung der/die Stadtbewohner_in sowie Individuen und Gruppen, die, auf die eine oder andere Art und Weise Teil des Stadtlebens sind – z.B. die vom Land in die Stadt, von der Stadt in die Metropolen, von einem Land in andere Länder migriert sind, oder Stadtbewohner_innen, die dazu gezwungen bzw. dazu gebracht werden zu migrieren – in eine (Widerstands-) Bewegung übergehen.

    Funda Orals Text ist ein Beispiel für die Erzählung eines städtischen Widerstands in klarer Sprache. Die Autorin erklärt uns, wie tausende Roma, unter dem Deckmantel der Stadtumstrukturierung, Opfer von staatlicher Gewalt wurden und aus ihren Lebensräumen in der Stadt verdrängt wurden. Sie macht uns darauf aufmerksam, dass der Sulukule-Widerstand nicht nur eine Bewegung ist, die unaufhörlich nach Lösungen sucht, die Wege dafür gefunden hat sich mit einer Gemeinschaft zu solidarisieren, die Ungerechtigkeit erfährt, die deren Probleme kennt und zusammenhält, sondern auch eine dynamische Widerstandsform ist, die auf vielfältige Art – wissenschaftlich, künstlerisch, politisch und kulturell – gegen Stadtumstrukturierung bzw. Gentrifizierung ankämpft. Obwohl das Sulukule Viertel nicht zurück erkämpft werden konnte, stellt der Sulukule-Widerstand einen wichtigen Meilenstein in der Bewegungsgeschichte dar und wurde somit Teil des kollektiven Gedächtnisses.

    Die Autoren Moritz Ahlert, Friedrich von Borries und Jens-Uwe Fischer betrachten in ihrem Beitrag, Istanbul und die Proteste zum Gezi Park von „außen“ und zeigen uns, dass diese soziale Stadtbewegung einerseits sehr vielschichtig ist und andererseits einen Verlauf in Richtung gemeinsamer Ziele, Rechte und Forderungen einnehmen kann. Dieser Text vermittelt uns, dass sich hier viele Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Lebensbereichen mit dem Ziel zusammenfanden, einen – trotz aller Unterschiede – gerechten, fairen friedvollen Kampf um die Stadt zu gestalten.

    Die Autor_innengruppe mit Fikret Adaman, Bengi Akbulut, Yahya Madra und Şevket Pamuk zeigen auf, wie sich die Regierung von Erdoğan, für ihre auf „Entwicklung“ ausgerichtete Regierungspolitik, vom Bausektor ernährt und neoliberale Strategien verfolgt. Demzufolge wird das Projekt, Istanbul in ein globales Wirtschaftszentrumumzu wandeln, durch die Zusammenarbeit mit der nationalen und internationalen Bauindustrie umgesetzt. Die Autor_innen belegen, dass die AKP eine profitorientierte und ausschließende Stadtpolitik verfolgt.

    Begum Özden Fırat und Ezgi Bakçay wollen mit ihrem Artikel am Beispiel der kollektiven Aktionen, die gegen den Abriss des Emek-Kinos zustande kamen, darüber diskutieren, dass die „ästhetisch-politische Aktion“ einen neuen transversalen Bewegungsraum eröffnet, der weder Teil der Kunst, noch der Politik im engeren Sinne ist.

    Ayşe Güleç setzt sich in ihrem Beitrag mit den Kämpfen der Hinterbliebenen der Opfer der Mordserie des NSU auseinander. Die Opfer des NSU sind mehrheitlich türkischstämmig. Der NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) wurde 2011 durch „Selbstenttarnung“ bekannt. Ayşe Güleç bringt uns dies anhand des Falls von Halit Yozgat näher, der in seinem Internetcafé in der Holländischen Straße in Kassel diesen terroristischen Mordanschlägen zum Opfer fiel. Die Autorin stellt uns durch migrantisches Wissen – was ein spezifisches Wissensrepertoire von Migrant_innen ist, im Verlauf der Geschichte angelegt wurde und an die Erfahrung der Migration gekoppelt ist – und den migrantischen Widerstand, die Jahrzehnte alte Geschichte der Migrant_innen an diesem Ort vor. Sie arbeitet auch heraus, wie dieses Wissen als visuelle und verbale Widerstandsform, gegen Diskriminierung von Migrant_innen, Morde und rassistische Behandlung, funktioniert.

    Zum Schluss stellt Pelin Tan, mit ihrem philosophischen Unterbau, die in verschiedenen Regionen vorherrschenden Methoden des gemeinsamen Kampfes und deren gesellschaftliche Rahmen vor. Der Autorin zufolge führen kollektive Erfahrung und improvisierte Allianzen, die auf einer über das Lokale hinausgehenden Wissensproduktion beruhen, zu der Herausbildung von gemeinsamen Räumen für das nicht-geteilte Wissen. Transversales Wörterbuch meint dabei ein geteiltes Wörterbuch über Arbeit, Pädagogik, Commons, Archiv, Institutionen und Stadt. Es ist auch das Bedürfnis nach der Erschaffung eines Wörterbuchs für den Kampf gegen die Widersprüche unserer Alltagspraxis, sowie für unseren Widerstand.

    Unser Ziel ist es anhand dieses Buches zu zeigen, dass die Türkei im Laufe der letzten Jahre eine, für den dortigen Kontext spezifische, Protesttradition entwickelt hat und dass dieses Protestverständnis immerzu an Inhalten und Elementen wächst. Diese Tradition lässt verschiedenen Protestgruppen, in verschiedenen politischen Situationen, zusammen gegen das herrschende System kämpfen.

    Wir möchten uns an dieser Stelle bei unseren Autor_innen und Übersetzer_innen bedanken und wünschen unseren Leser_innen beim Lesen der Widerstandsgeschichten und -dokumente eine fantastische Erfahrung.

    Aus dem Türkischen von: Nadiye Ünsal

    Die Publikation ist ab dem Tag der Ausstellungseröffnung in der nGbK erhältlich. ISBN 978-3-938515-59-4 Buchcover: Artıkişler - Akıl Tutulması. Video, 2012.
    Die Publikation ist ab dem Tag der Ausstellungseröffnung in der nGbK erhältlich. ISBN 978-3-938515-59-4 Buchcover: Artıkişler – Akıl Tutulması. Video, 2012.
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  • Links

    Relevante Links

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  • Veranstaltungen

    • 03.07, 19h – Eröffnung der Ausstellung
    • 04.07, 17h – Künstler_innengespräch mit CANAN
    • 24.07, 20h – Podiumsdiskussion „Independent Cultural Spaces in Turkey and Germany“
    • 25.07, 20h – Lecture Performance von und mit Zeyno Pekünlü
    • 26.07, 20h – LSBT*I*Q Kurzfilmfestival und Debatte 
    • 27.07, 17h – Künstler_innengespräch mit anschließender Podiumsdiskussion „Politische Kunst im Widerstand im Südosten der Türkei“ (19h)
    • 28.07, 19h – Kurzfilm „Holding Up the Photograph” und Gespräch mit Özlem Kaya (Hafıza Merkezi) 
    • 29. – 31.07 – Karikatur-Workshop mit Cem Dinlenmiş 
    • 30.07, 20h – Filmscreening – Berlin Premiere, „Ben Uçtum Sen Kaldın“, 2012 mit anschließender Debatte 
    • 31.07, 20h – Kurzfilmfestival 
    • 01.08, 17h  – Gespräch mit dem Gezi-Blogger Erkan Dinar
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  • Ausstellung

    –Eva Liedtjens

    „Wir zeigen oder repräsentieren nicht, wir entfalten die Potenziale der Aktion des ‚Hinsehens‘“
    (Pelin Tan zur Praxis von videoccupy)

    77

    1. Mai 1977, Türkei, Istanbul, Taksim Platz.

    Spulen wir zurück: Der Ton wiederholt sich, die Spieluhr stockt. Ein rotes Fahnenmeer, Plakate, stolze Bannerträger „Es lebe der 1. Mai“. Der Taksim Platz im Zentrum Istanbuls ist voller Menschen. Vor dem AKM (Atatürk Kültür Merkezi) hissen Arbeiter_innen und Student_innen ihre Fahnen. Schatten auf einem Dach; schwarz, weiß, flimmernd. Und plötzlich bricht die Menge auseinander. Menschen laufen. In Panik. Die Wasserwerfer rollen.

    Und das Lied beginnt von vorne.

    Artıkişler, Akıl Tutulması. Video, 2012.
    Artıkişler, Akıl Tutulması. Video, 2012.
    Artıkişler, Akıl Tutulması. Video, 2012.
    Artıkişler, Akıl Tutulması. Video, 2012.

    Die Videoarbeit „Haunted Reasons“ des Video Kollektivs artıkışler entstand 2012 im Gedenken an die Verstorbenen vom 1. Mai 1977. 34 Menschen verloren ihr Leben, als die Massenkundgebung zum 1. Mai, durch Schüsse gewaltsam beendet wurde. Das Kollektiv Artıkışler versucht im Bereich der zeitgenössischen visuellen Kultur und Kunst einen Raum für kollektive Produktion und Verbreitung zu eröffnen. In ihrer Praxis fokussieren sie auf Brennpunkte der neueren sozialen Geschichte der Türkei, wie Gentrifizierung, Zwangsmigration und Arbeit im städtischen Raum. Das Archivieren und Teilen von kollektiver sozialer Erinnerung in Kollaboration mit anderen Gruppen ist Bestandteil ihrer Methode.

    Die Ästhetik des sozialen Widerstandes, der Arbeiter_innenbewegung und der sozialistischen Linken ist präsent auf Fahnen, Bannern und Plakaten. Schwindet der Widerstand, sorgen zurückgebliebene Plakate, Graffiti, Parolen oder Rhythmen dafür, dass das Erlebte präsent bleibt. Eingespeist in das kollektive Gedächtnis rufen diese kreativen Formen des Widerstands lebhafte Bilder hervor. Die ästhetischen Besonderheiten der Repräsentationen und Kommunikationsprozesse sozialer Bewegungen im öffentlichen Raum sind Anknüpfungspunkte in dem Versuch dieser Ausstellung ein assoziatives Archiv aufzubauen. Die Jahre 1977 und 2013 bilden hier eine zeitliche Klammer, jedoch begreift sich das Projekt nicht als chronologische Darstellung und Repräsentation von politischer Kunst aus dieser Zeit. Vielmehr stellt das Projekt Fragen, versteht sich als offen und und selbstkritisch. Die Auswahl der künstlerischen Arbeiten und kulturhistorischen Dokumente werfen vielmehr Schlaglichter auf verschiedene soziale Gruppierungen und ihren Widerstand. Das Projekt möchte eine Plattform für einen lebhaften und kreativen Austausch von Erinnerung und zur Reflexion bieten.

    Der Fokus der Ausstellung liegt auf dem spannungsvollen, schöpferischen Zwischenraum von Kunst und Politik.

    TÜSTAV. Poster-Scan, 2015.
    TÜSTAV. Poster-Scan, 2015.

    Eine Auswahl an Plakaten aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı / Stiftung für Sozialgeschichte der Türkei) von der Arbeitergewerkschaft DISK zum 1. Mai aus den 1970er Jahren zeigt uns die Sprache der Selbst – Darstellung der Linken Bewegung der jüngeren Geschichte der Türkei. Der visuellen Sprache des sozialen Widerstandes und ihrer Protestformen wird im graphischem Material sowie in dokumentarischen Momentaufnahmen nachgespürt. Die kulturhistorischen Dokumente werden mit künstlerischen Reflexionen kontextualisiert.

    Das unabhängige Kollektiv Nar Photos, gegründet 2003, ist ein Zusammenschluss von Fotograf_innen für die Dokumentar-Fotografie mehr als bloßes Abbilden sozialer Missstände1. Als Werkzeug die Welt zu „verstehen und auszudrücken“ konzipiert, wird die gemeinsame Arbeit an ihren Foto-Reportagen angetrieben von der Möglichkeit aktiver Veränderung. Die Dokumentation von Protesten und Versammlungen im öffentlichen Raum ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit.

    Ihre Aufnahmen etwa der Demonstrationen zum 8. März 2015 (Weltfrauentag) und des Pride Day 2014 verdeutlichen die Vielfalt und Kreativität im Ausdruck sozialen Protestes auf der Straße. Das farbenfrohe Spektakel trügt jedoch nicht über die bittere Realität hinweg. Die Gleichberechtigung von Frauen und LGBTI in der Türkei ist immer noch umkämpft.

    Blicken wir noch einmal zurück: Nach dem blutigen Mai 1977 und dem Militärputsch am 12. September 1980 beherrscht die Angst vor politischem Ausdruck den öffentlichen Raum. Da aus der Sicht des Militärs die Politisierung der Gesellschaft und ihrer Institutionen, wie den Gewerkschaften und Universitäten, Schuld an der vorausgegangenen politischen Krise trugen, wurden alle Maßnahmen darauf gerichtet die Gesellschaft zu entpolitisieren. Erden Kosova spricht von dem „großen Trauma“2 der 1980er Jahre, das die sich vorher entwickelnde sozialistisch orientierte Intelligenzia schockierte. Die Schwächung der sozialistischen Bewegung durch gewaltvolle Unterdrückung, Verhaftung und Vertreibung linker Intellektueller, führte ironischerweise gleichzeitig zu einem Aufkommen erster zeitgenössischer Frauenbewegungen.

    Am 17. Mai 1987 protestierten 3000 Frauen unter dem Schlachtruf: „Boden unter den Füßen, nicht den Himmel“ in Istanbul gegen häusliche Gewalt. Das Wertesystem der Türkei, welches sprichwörtlich die Mutterschaft in den Himmel hebt3, sollte hier auf den Kopf gestellt werden.4 Auslöser für die Demonstration war ein Gerichtsurteil im Scheidungsprozess einer Mutter von drei Kindern, welche sich aufgrund der Gewalttätigkeit ihres Mannes scheiden lassen wollte. Der Richter verweigerte die Scheidung und rechtfertigte seine Entscheidung mit einem alten türkischen Sprichwort: „Kadının sırtını sopasız, karnını sıpasız bırakmamak gerek.“5 – „ Der Rücken einer Frau sollte nicht ohne Stock, der Bauch nicht ohne Kind bleiben.“ Der Massenprotest der Frauen war die erste erlaubte Großdemonstration nach dem Militärputsch 1980 und brachte das Thema der häuslichen Gewalt in die Öffentlichkeit.

    Die Künstlerin CANAN, die mit zwei Werken in der Ausstellung vertreten ist, arbeitet in feministischer Tradition. Mit ihren Arbeiten blickt sie nicht nur kritisch auf das große gesellschaftliche System, in das das Subjekt verstrickt ist, sondern stellt gerade auch das Persönliche in den Fokus und blickt hinter die öffentliche Fassade auf die ganz privaten Abgründe. Ausgangspunkt ihrer Arbeiten bilden persönliche Geschichten. Wie in ihrer Arbeit „Nazar Değdi Dünyama – It was worth the evil eye into my world“ , einer Plakataktion 2011 ursprünglich für den öffentlichen Raum konzipiert, setzt sie sich mit häuslicher Gewalt und Missbrauch auseinander und provoziert mit ihrer Offenlegung der Missstände die türkische Gesellschaft. Die Arbeit „Femina“ von 2014 kommentiert ihre feministische Position betont plakativ. Sie liest sich wie ein tragisch ironischer Kommentar über die immer noch bestehende Notwendigkeit für die Gleichberechtigung aufzubegehren. Stolz trägt die nackte Frau die Flagge des feministischen Widerstandes, im symbolischen Lila eingefärbt. Ein etwas anderes „Werbe“ – Plakat, ganz im Sinne von „the personal is political“.

    CANAN, Nazar degdi dünyama. Poster, 2011.
    CANAN, Nazar degdi dünyama. Poster, 2011.

    Die Flagge sticht hier hervor als Symbol des Aufstandes, als ein Archetypus der Revolution. Man erinnere sich an Eugene Delacroix „Die Freiheit auf den Barrikaden – Die Freiheit führt das Volk“ von 1820 in dem die halb entblößte Marianne mit erhobener Fahne das französische Volk hinter sich über die Barrikaden aus Leichen führt. „Haydi Barikata“6 – Auf zu den Barrikaden. Der Widerstand der die Menge mobilisiert, euphorisiert, ideologisiert.

    Die Arbeit von Şener Özmen „The Flag“ (2010) bildet einen ironischen Kontrapunkt. Drei Männer im Anzug stehen stramm, ein weiterer zieht eine nicht sichtbare Flagge hoch. Die Köpfe sind erhoben, die Halskrausen halten sie dort. Die Arbeit kommentiert skurril die Halsstarrigkeit jeglicher Ideologie.

    Dieser ironisch, spielerische Umgang mit der so harten Realität des Widerstandes findet sich auch wieder in der Video Arbeit „Adult Games“ von Erkan Özgen aus dem Jahr 2004. Ein Dutzend maskierte Kinder stürmen einen Spielplatz. Einer der Gruppe späht zuerst ob die Luft rein ist, dann geht das Spiel los. Hinter der aberwitzigen Situationskomik, welche an die Katz-und Mausspiele von Aktivisten im Straßenkampf mit der Polizei erinnern, liegt die erstickende Realität eines Landstriches seit Jahrzehnten geprägt von Repression, ethnischen Konflikten und Bürgerkrieg. Der Künstler aus Diyarbakır verweist auf das Alltägliche des Widerstandes im kurdischen Südosten der Türkei, in der selbst Kinder die „Spiele der Erwachsenen“ spielen.

    Erkan Özgen, Adult Games. Video, 2004.
    Erkan Özgen, Adult Games. Video, 2004.

    Dem lauten Protest auf der Straße gegenüber finden sich Formen des stillen, anklagenden Widerstandes. So wie der klagende Protest der Samstagsmütter (Cumartesi Anneleri), welche sich nach dem Vorbild der argentinischen Mütter von der „Plaza de Mayo“ jeden Samstag friedlich versammeln und Aufklärung über das Schicksal ihrer verschwundenen Angehörigen fordern. Insbesondere in den 1990er Jahren in den südöstlichen Provinzen wurden viele politisch kritisch-denkende Menschen „verschwunden“ – ein Repressionsinstrument, das nach dem Putsch 1980 eingeführt wurde. Ein umstrittenes Anti-Terrorismus-Gesetz begünstigte diese Taten: Verdächtige durften ohne Anklage für mehrere Tage ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten werden.7
    Am 27. Mai 1995 protestierten die Angehörigen der Vermissten das erste Mal mit einem Sit-In beim Galatasaray Platz in Istanbul. Seit diesem Tag versammeln sich die Angehörigen dort jeden Samstag und erinnern mahnend mit Bildern oder Besitzgegenständen an ihre Vermissten. Eine Reihe von Dokumentarfotografien von Nar Photos erzählt eindrücklich von diesem Akt des Protestes.

    Adnan Onur Acar / Nar Photos, Saturday Mothers‘ 500th gathering in Istanbul. Foto, 2014.
    Adnan Onur Acar / Nar Photos, Saturday Mothers‘ 500th gathering in Istanbul. Foto, 2014.

    Die Fotografie Installation „Fotoğraf“ von Cengiz Tekin greift diese Thematik in einer sehr persönlichen künstlerischen Arbeit auf. Drei Fotos aus verschiedenen Jahrzehnten aus der gleichen Familie erzählen eine Geschichte vom Vermissen und dem tragischen Eindringen des Staates in das Private. Die drei Bilder zeigen jeweils ein und denselben Mann: als Soldat, welcher sich mit einem Bild Atatürks fotografieren lässt, als Bild im Bild, im Kreise der Verwandten in Gedenken an den jungen Mann im Staatsdienst und wiederum als Bild im Bild: Einen Mann, den der Staat geholt und nicht wieder zurück gebracht hat.

    Cihangir Duyar/Ekim Ruşen Kapçak, A Journey to A Dream. Verschiedene Installationsmedien, 2013.
    Cihangir Duyar/Ekim Ruşen Kapçak, A Journey to A Dream. Verschiedene Installationsmedien, 2013.

    Die beiden jungen Fotografen Cihangir Duyar und Ekim Ruşen Kapçak begeben sich in „Bir Rüyaya Yolculuk (A Journey to A Dream)“ 2013, auf eine ebenso persönlichen Reise. Das Fotografie-Projekt8 begann mit der Entdeckung eines Briefwechsels aus den 1980ern zwischen Ekim Ruşen Kapçak’s inhaftierten Vater und seiner Mutter. Das Projekt nimmt Ruşens Vater, den Journalisten Hatip Kapçak in den Blick, der 1992 ermordet und die Tat noch immer ungeklärt ist. Es sucht nach Wahrheiten in den Briefen, Menschen, Orten und Fotografien, die geblieben sind. Die Suche nach dem verlorenen Vater, das Versuchen zu Verstehen, im Gefängnis und im Draußen, lassen Einblick gewähren in die jüngere Geschichte einer Region, geschrieben mit Schmerz und Widerstand.

    Barış Doğrusöz, ‚Heure de Paris‘:  Index 1 - Separation. Video, 2012.
    Barış Doğrusöz, ‚Heure de Paris‘: Index 1 – Separation. Video, 2012.

    Die Videoarbeit „Seperation“ aus der Reihe „Heure de Paris“ von Barış Doğrusöz ist ebenfalls eine Recherche über das Zusammenlaufen von persönlicher Erinnerung und kollektiver Geschichte. Der Künstler, aufgewachsen in Frankreich verhandelt in seiner Arbeit sein persönliches Exil und nähert sich der jüngeren Geschichte der Türkei mittels Found Footage und Archivmaterial französischer Fernsehsender an. Die Reise beginnt 1978, dem Geburtsjahr des Künstlers. Das Roadmovie bildet den Versuch eine Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden und stolpert dabei über Bilder von Repression und Widerstand.

    Hüseyin Karabey, Hiç bir karanlık unutturmaz.  Video, 2011.
    Hüseyin Karabey, Hiç bir karanlık unutturmaz.
    Video, 2011.

    Der 19. Januar 2007 ist ein schwarzer Tag in der jüngeren Geschichte der Türkei. Der armenische Journalist Hrant Dink, der sich in seiner Arbeit und seinen persönlichem Engagement für die Zivilgesellschaft, Demokratie und Menschenrechte, sowie einer Annäherung der Türkei und Armenien einsetzte, wird auf offener Straße erschossen. Jedes Jahr am 19. Januar versammeln sich Tausende vor dem Gebäude der Zeitschrift Agos in Istanbul, um ihm zu gedenken und für das Recht auf freie Meinungsäußerung einzustehen. Die Farbe des Widerstandes ist schwarz.

    Der Filmemacher Hüseyin Karabey erinnert mit seiner Videoarbeit „Hiç bir karanlık unutturmaz“ (Keine Dunkelheit lässt je vergessen) aus dem Jahr 2011 an den ermordeten Hrant Dink. Auf der Beerdigung sprach die Ehefrau des Ermordeten zu der aufgebrachten Menschenmenge. Der Animationsfilm bringt diese, für die Geschichte der Türkei so bedeutende Rede, zurück in das kollektive Gedächtnis. Die schwarz-weiß animierten Bilder begleiten die eindringliche Stimme von Rakel Dink, die uns einen bewegenden Abschiedsbrief an ihren Mann vorliest.

    Im Jahr 2015 jährt sich der Gedenktag der Vertreibung und des Völkermordes an den Armeniern zum 100. mal. Im DEPO, einem Kulturzentrum in Istanbul, fand zu diesem Anlass die Ausstellung „Nereye Gideceğimizi Bilmeden… / Without knowing where we are headed… „ unter Beteiligung der Künstlerin Nalan Yırtmaç statt. Am 24. April 1915 wurden zahlreiche Führer der armenischen Opposition, Journalisten und Schriftsteller in Istanbul verhaftet, verschleppt und getötet. Nalan Yırtmaç zeigt eine Auswahl ihrer Porträts ermordeter armenischer Intellektueller in Berlin. Die Porträts, welche den „vertriebenen Armeniern“ ein Gesicht verleihen, zeigt Nalan Yırtmaç in ihrer eigenen Bildsprache mit Bezug auf überlieferte Fotografien.9

    Berat Işık, Oasis. Video, 2014.
    Berat Işık, Oasis. Video, 2014.

    Die Künstlerin und Aktivistin aus dem Umfeld der subkulturellen Bewegung des Post – Punk arbeitet mit einfachen Materialien und Techniken der Street Art. In ihrer künstlerischen Arbeit formuliert sie ironisch Kritik an Phänomenen des urbanen Alltags und rückt die Verlierer des rasanten Städtewachstums in den Vordergrund.

    Der Video Künstler Berat Işık greift in seiner dokumentarischen Videoarbeit „Oasis“ (20 min, 2014) die Probleme der Stadtentwicklungsprojekte und Gentrifizierung in der Türkei auf. In der Geschichte des alten Mannes aus dem Südosten der Türkei und seinem Garten spiegelt sich die tragische Verflechtung von Vertreibung, Repression und kapitalistischen Strukturen.

    13

    Die gewaltsame Räumung eines besetzten Parks im Zentrum Istanbuls war Auslöser eines der größten Widerstandsbewegungen in der Türkei. Der Gezi-Park war und ist als temporäre autonome Zone ein Symbol für Solidarität und kreativen Widerstand. Im Camp entstanden in kürzester Zeit in kollektiver Arbeit temporäre Strukturen um ein Funktionieren der Gemeinschaft zu gewährleisten; eine Gemeinschafts-Küche, ein offenes Krankenhaus, eine temporäre Moschee, eine Bibliothek und vieles mehr. Das Kollektiv architecture for all (Herkes için Mimarlık) hielt diese spontanen Architekturformen in Zeichnungen fest. In der performativen Architektur, die keinen Architekten benötigt, findet sich der Ausdruck kreativen räumlichen Widerstands. Die Initiative #occupygezi architecture des Kollektivs fordert eine Neudefinition von Architektur. Eine weitere architektonische Struktur des Widerstandes ist die Barrikade. Die Fotoarbeit des Fine Arts Photography Department der Mimar Sinan Universität zeigt diese großformatig und symbolträchtig. Die Barrikade als ein gemeinsam geschaffenes Bollwerk, welches den umkämpften Freiraum schützt.

    Nach der Räumung des Parks verlagerte sich der soziale Widerstand in Foren, die regelmäßig in verschiedenen Parks anderer Stadtviertel stattfanden. Die Diskussion und das gemeinsame Entwickeln von Ideen für eine mögliche neue Gesellschaftsstruktur rückten in den Mittelpunkt. Solidarität und Kollektivität, insbesondere auch beim Zugang zu und Teilen von Wissen ist ein wichtiger Faktor der Bewegung. Im Sinne dieser Praxis, in der Wissensproduktion zum Aktivismus wird, ist ein Teil der Ausstellung als Archiv- und Arbeitsraum konzipiert. Eine digitale, künstlerische Archivarbeit von Sencer Vardarman zu ästhetischen Kodierungen der Gezi-Bewegung im Netz, ein aktivistisches Videoarchiv der Initiative bak.ma und eine Internetplattform, welche die Rhizom-artigen Strukturen politischer und ökonomischer Akteure in der Türkei zeigt (Mülksüzleştirme Ağları10 / Network of Disposessesion) lädt den Besucher_innen zur Recherche ein.

    Das Online-Archiv über die Bewegung Devrimci Yol11 (Der revolutionärer Weg), ein Projekt von Akademiker_innen des Research Institute Turkey (RIT)12 und damaligen Aktivist_innen, gewährt einen Einblick in die aktivistische Arbeit dieser linken Gruppierung in der Türkei. Devrimci Yol, gegründet 1977, wurde als linkradikale Gruppierung in der Türkei verboten und verfolgt. Die Poster, Informationsblätter und „Depeschen“ spiegeln das politische Bewusstsein der Linken dieser Zeit wieder. Sie verdeutlichen zu dem, wie der Widerstand in der Türkei auch in Deutschland seinen Platz gefunden hat. Die Archivarbeit versteht sich als offenes Projekt, welches die Vernetzung und das lebendig Halten von Erinnerungen im Austausch sucht.

    Das Prozesshafte des Projektes wird auch in dem Beitrag des Künstler Murat Akagündüz deutlich. Der Mitbegründer der Künstlergruppe Hafriyat zeigt eine großformatige Malerei auf Leinwand. Eine Arbeit die während seines Aufenthaltes in Berlin entsteht. Die Karikaturen von Cem Dinlenmiş begleiten durch die Ausstellung. Die ironisch bissigen Kommentare über das Zeitgeschehen sind bedeutende Dokumente der jüngeren Geschichte der Türkei und eine Metapher für freie Meinungsäußerung.

    Das hier beschriebene Ausstellungs-Projekt begreift sich als künstlerisch – wissenschaftlicher Rechercheprozess mit aktivistischem Ansatz. Statt eines linearen Geschichtsverständnisses und dessen Repräsentation, werden die seit den 1970ern bis in unsere heutige Zeit entstandenen Brüche, Ereignisse, Verflechtungen, unerwartete Neuerungen, sowie die sich hieraus manifestierenden künstlerischen und politisch-ästhetischen Kodierungen in den Vordergrund gerückt und zur Diskussion gestellt. Die Herangehensweise der Arbeitsgruppe als Kollektiv versteht sich, in Anlehnung an neuere Praxen der Wissensproduktion als Archiv im Aufbau und als Methode. Das Projekt ist partizipativ und im Prozess angelegt, es lebt von den Beiträgen und diversen Meinungen der teilnehmenden Kollektive, Künstler_innen, Wissenschaftler_innen, Aktivist_innen und der Öffentlichkeit. Die Besucher_innen sind eingeladen aktiv mitzugestalten. Es ist ein Versuch über die bloße Reproduktion und Repräsentation von politischen Bewegungen hinauszugehen und selbst politisch zu sein.

    Eine Videoarbeit soll hier als letztes Erwähnung finden: Die Arbeit von Demet Taşpınar aus dem Jahr 2008 stellt eine Frage, die wohl so viele bewegt und einen Ausblick ins Ungewisse wagt: „Wohin?“ – Ein kleiner Pinguin tappt verloren, orientierungslos und Sinn suchend in der leeren Eiswüste…13

    und dies ist erst der Anfang…

    Alle in diesem Artikel enthaltenen Abbildungen wurden der Autorin von den beschriebenen Künstler_innen zur Verfügung gestellt.


    1. http://www.narphotos.net (17.06.2015).

    2. Kortun, Vasif; Kosova, Erden: Szene Türkei: Abseits, aber Tor! Jahresring 51. Köln. 2004. S. 91.

    3. „Cennet annelerin ayakları altındadır“ / „Der Himmel ist unter den Füßen der Mütter“: Türkisches Sprichwort, welches sich auf die „heilige“ Mutterrolle bezieht. Im feministischen Diskurs wurde das Sprichwort aufgegriffen, um die Reduzierung der Frau auf die Rolle der Mutter zu kritisieren.

    4. Beral Madra versammelte unter diesem Titel im Rahmen der Ausstellung „Istanbul Next Wave“ Berlin 2009 eine Anzahl türkischer Künstlerinnen. Siehe: Madra, Beral: Boden unter meinen Füßen, nicht den Himmel. Eine Erkundigung über einige der langen und abenteuerlichen Wege, die türkische Künstlerinnen im 20. Jahrhundert gegangen sind. In: Ausst.-Kat.: Istanbul next wave. Zeitgenössische Kunst aus Istanbul ; Gleichzeitigkeit – Parallelen – Gegensätze. Hrsg. v. Akademie der Künste Berlin, 1. Aufl. Göttingen: Steidl [u. a.], 2009, S. 92–102.

    5. Zitiert nach Yeşilyurt Gündüz 2004, S. 120, Yeşilyurt Gündüz, Zuhal: The Women´s Movement in Turkey: From Tanzimat towards European Union Membership. In: Perceptions, Autumn 2004, S. 115-134. Online verfügbar unter: http://www.sam.gov.tr/volu­me9c.php (letzter Zugriff: 16.03.2011).

    6. Songtitel der Band Bandista.

    7. http://www.amnesty.de/umleitung/1996/deu05/045 (17.06.2015).

    8. Die Arbeit ist im Rahmen des BAK Projektes von Anadolu Kültür / DSM entstanden. http://anadolukultur.org/en/areas-of-work/projects/bak-revea­ling-the-city-through-memory-2013/78 (17.06.2015).

    9. http://www.depoistanbul.net/en/activites_detail.asp?ac=125 (17.06.2015).

    10. http://www.mulksuzlestirme.org (17.06.2015).

    11. http://www.devrimciyolarsivi.org (17.06.2015).

    12. http://www.riturkey.org/tr (17.06.2015). Das Research In­stitute Turkey ist eine Forschungs-Kooperatif junger Akademiker, Künstler und Aktivisten mit Sitz in New York, gegründet im Anschluss an die Gezi-Proteste 2013.

    13. Der Pinguin, wenn auch seiner Zeit voraus, verweist im Kontext dieser Ausstellung zudem ironisch auf eine der Bild-Ikonen der Gezi-Protestbewegung. Zu Beginn der Proteste zeigte das Staatliche Fernsehen an Stelle einer Live- Übertragung eine Dokumentation über das Leben der Pinguine. Der Pinguin wurde somit zu einem sarkastischen Symbol von Zensur.

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  • Barrikade 5

    Barrikade während der Gezi-Proteste 2013.

  • Barrikade 4

    Barrikade während der Gezi-Proteste 2013.

    , 2013 Gezi \
  • Barrikade 3

    Barrikade während der Gezi-Proteste 2013.

    , 2013 Gezi \
  • Barrikade 2

    Barrikade während der Gezi-Proteste 2013.

    , 2013 Gezi \
  • Barrikade 1

    Barrikade während der Gezi-Proteste 2013.

    , 2013 Gezi \
  • Aufstand der Frauen gegen Femicide

    Frauen marschieren von Tünel zum Galatasaray Platz um gegen Gewalt an Frauen zu protestieren.

    Women marched from Tünel to Galatasary Square to protest the increasing femicide and men’s violence against women.

  • Kundgebung zum 8. März in Istanbul

    Frauen versammeln sich zu einem Feministischen Nachtmarsch am Internationalen Frauentag in der Istiklal Strasse.

    Women gather for the feminist night march on international women`s day on Istiklal Street.

  • Aufstand der Frauen gegen Femicide

    Frauen marschieren von Tünel zum Galatasaray Platz um gegen Gewalt an Frauen zu protestieren.

    Women marched from Tünel to Galatasary Square to protest the increasing femicide and men’s violence against women.

  • Proteste gegen Minenunglück

    Die Polizei geht in Kadiköy mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Protestierende vor, die an die fast 300 Toten beim Minenunglück der Soma Kömür İşletmeleri A.Ş. am 13. Mai erinnern.

    In Kadıköy police fired water cannon and tear gas to disperse the people who protest the mine disaster where nearly 300 people died because of the explosion at the Soma Kömür İşletmeleri A.Ş. on 13th of may.

    , 2014 Soma \
  • Gedenken an Soma

    Menschen versammeln sich in Firuzağa um an die Verunglückten des Minenunglücks von Soma am 13. Mai zu erinnern.

    People gather in Firuzağa for commemoration for the people who died because of the explosion at the Soma Kömür İşletmeleri A.Ş. on 13th of may.

    , 2014 Soma \
  • Zurück ins Leben

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  • Trauer für Armenische Opfer des Genozids von 1915

    Menschen trauern während einer Zeremonie zum 98. Jahrestag des Massakers an den Armeniern im Jahr 1915 im Osmanischen Reich.

    People mourn during a ceremony to commemorate the 98th anniversary of the 1915 massacre of Armenians in the Ottoman Empire in Istanbul.

  • Der Fall Hrant Dink

    Tausende Protestierende erinnern am 8. Jahrestag an den Mord an dem Türkisch-Armenischen Journalisten Hrant Dink am 19.01.2015. Dink, eine der bekanntesten Stimmen der Armenischen Gemeinde in der Türkei, wurde am 19.01.2007 erschossen.

    Thousands of protesters marked the eigth anniversary of Turkish-Armenian journalist Hrant Dink s murder,in Istanbul, on January 19, 2015. Dink, one of the most prominent voices of Turkeys shrinking Armenian community, was killed by a gunman on January 19, 2007.

  • Trauer für Armenische Opfer des Genozids von 1915

    Menschen trauern während einer Zeremonie zum 98. Jahrestag des Massakers an den Armeniern im Jahr 1915 im Osmanischen Reich.

    People mourn during a ceremony to commemorate the 98th anniversary of the 1915 massacre of Armenians in the Ottoman Empire in Istanbul.

  • occupy architecture: Zelt

    Vektorgrafik des occupy architecture Kollektivs von einem Zelt im Gezi-Protest-Camp 2013.

  • occupy architecture: Zelt

    Vektorgrafik des occupy architecture Kollektivs von einem Zelt im Gezi-Protest-Camp 2013.

  • occupy architecture: Bibiothek

    Vektorgrafik des occupy architecture Kollektivs von der Bibiothek im Gezi-Protest-Camp 2013.

  • occupy architecture: Etagenbett

    Vektorgrafik des occupy architecture Kollektivs von einem Etagenbett im Gezi-Protest-Camp 2013.

  • occupy architecture: Barrikade in Gümüşsuyu

    Vektorgrafik des occupy architecture Kollektivs von einer Barrikade in Gümüşsuyu während der Gezi-Proteste 2013.

  • occupy architecture: Barrikade in Kazanci

    Vektorgrafik des occupy architecture Kollektivs von einer Barrikade in Kazanci während der Gezi-Proteste 2013.

  • occupy architecture: Barrikade

    Vektorgrafik des occupy architecture Kollektivs von einer Barrikade der Gezi-Proteste 2013.

  • occupy architecture: Atatürk Kulturzentrum

    Vektorgrafik des occupy architecture Kollektivs vom Atatürk Kulturzentrum am Taksim Platz.

  • 1. Mai 1977 DISK

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1977 1. Mai \
  • 1. Mai

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai Feiertag der Arbeiter

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai DISK MADEN IS

    Plakat zum 1. Mai der DISK Bergarbeitergewerkschaft aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1977 1. Mai \
  • 1. Mai

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai DISK OLEYIS

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai DISK

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai DISK

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai DISK

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai DISK

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai DISK TEKSTIL

    Plakat zum 1. Mai der Textilarbeitergewerkschaft aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • 1. Mai

    Plakat zum 1. Mai aus der Sammlung TÜSTAV (Türkiye Sosyal Tarih Araştırma Vakfı),
    der Forschungsstiftung zur Türkischen Sozialgeschichte.

    , 1970 1. Mai \
  • Über das Projekt

    Das Ausstellungsprojekt nimmt zwei Hochphasen des sozialen Widerstands in der Türkei, den 1. Mai 1977 sowie die Gezi-Proteste 2013, als Ausgangspunkte. Reflektiert werden die ästhetischen Besonderheiten von Selbstdarstellungen, Repräsentationen sowie von Kommunikationsprozessen sozialer Bewegungen im öffentlichen Raum. Unter Berücksichtigung der sozialen, ökonomischen und kulturellen Dynamiken, die jene sozialen Bewegungen seit den 1968ern bis in die heutige Zeit beeinflussen, werden deren Kontinuitäten, Besonderheiten und Anknüpfungspunkte untersucht.

    Ein wichtiger Faktor, der diese unterschiedlichen Schauplätze zusammenfügt, sind die Formen der Erinnerung: Schwindet der Widerstand, sorgen zurückgebliebene Plakate, Graffiti, Parolen oder Rhythmen dafür, dass das Erlebte ästhetisch präsent bleibt. Eingespeist in das kollektive Gedächtnis rufen diese Formen des Widerstands lebhafte Bilder hervor.

    In der Ausstellung werden dokumentarische Momentaufnahmen vom sozialen Widerstand im öffentlichen Raum mit künstlerischen Reflexionen kontextualisiert. Mit Fotografie, Video, Installation, Malerei, Plakatkunst und Archivmaterial wird der Versuch einer assoziativen Dokumentation unternommen.

    Das Projekt begreift sich als künstlerisch – wissenschaftlicher Rechercheprozess. Statt eines linearen Geschichtsverständnisses und dessen Repräsentation, werden die seit den 1968ern bis in unsere heutige Zeit entstandenen Brüche, Ereignisse, Verflechtungen, unerwartete Neuerungen sowie die sich hieraus manifestierenden künstlerischen und politisch-ästhetischen Kodierungen in den Vordergrund gerückt und zur Diskussion gestellt.

    Ergänzend zur Ausstellung erscheint eine Publikation (ISBN: 978-3-938515-59-4) mit wissenschaftlichen, künstlerischen und literarischen Beiträgen in Wort und Bild.

    Ein Rahmenprogramm vertieft in der Aktionswoche (24.7.-1.8. 2015) einzelne Themenbereiche mit einer Podiumsdiskussion, einer Performance, einem Karikatur-Workshop sowie Filmvorführungen und Künstlergesprächen.

    Künstlerische Beteiligung: 

    artıkişler, Aytunç Akad, bak.ma, Barış Doğrusöz, Berat Işık, CANAN, Cem Dinlenmiş, Cengiz Tekin, Cihangir Duyar, Demet Taşpınar, Devrimci Yol Arşivi, Ekim Ruşen Kapçak, Erkan Özgen, Hüseyin Karabey, Mülksüzleştirme Ağları, Murat Akagündüz, Nalan Yırtmaç, NarPhotos, #occupygezi architecture, Sencer Vardarman, Şener Özmen, TÜSTAV

    nGbK – Projektgruppe:

    Jan Bejšovec, Christian Bergmann, Zülfukar Ҫetin, Duygu Gürsel, Pablo Hermann, Ҫaǧrı Kahveci, Therese Koppe, Eva Liedtjens

    Für Englisch

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  • Uncommon Knowledge: A Transversal Dictionary

    Herkes İçin Mimarlık, #occupygezi architecture

    What is our commons and how should it be renewed, sustained, enlarged, drawn down, and/or extended to others?”

    JK.Gibson-Graham

    The creation of instituting society, as instituted society, is each time a common world (kosmos koinos), the positing of individuals, of their types, relations and activities; but also the positing of things, their types, relations and signification—all of which are caught up each time in receptacles and frames of reference instituted as common, which make them exist together.”

    Cornelius Castoriadis

    This paper presents articulation of my argument and opinion that I presented in the panel entitled “Common knowledge: Discursive action and political activism” organized by derive journal at the Eurozine Journal Meetings conference 2013. As, myself, involved in an integrated relational practice in the field of urban, pedagogy and contemporary art; I am more eager to argue that a collective experience of a trans-local production of knowledge and instant alliances leads to creation of possibilities of common space for uncommon knowledge. Why this is important? In both theoretical and practical levels this could be the most vital way of where everyday life knowledge can intervene institutional bodies, alternative pedagogies can flow in different platforms and creative forms of solidarity in extra-territorial spaces that can exists.

    What I do mean by Transversal dictionary? It is about a need to build a common dictionary about labor, pedagogy, commons, archive, institution and urban that are connected to our struggle and resistance against conflict in our everyday practices. Spatial practices in conflicted urban spaces instigated society to invent a new collective dictionary not only for the constrained environment of the recent socio-political and economic crisis, but also to rebuild a collective consciousness that can refer to our communal co-existence. I will try to articulate with examples of collective works through my practice and engagements of research and initiations.

    How can self-organized, self-regulating networks and collective structures such as the occupy movements in urban space inspire economic models, especially where the generation and re-distribution of wealth are concerned? And how can these spaces, under exceptional conditions, serve as “common knowledge” based on the practice of “commoning”? Nowadays, we discuss precarious working conditions and their effects on cognitive labor. Currently, our understanding of the nature of precarious labor is mostly based on a time/work frame that leads to labor exploitation and lack of employment security, but these conditions do not necessarily correspond to our relative experience in different work types. Rather, precarious labor and the conflict of production exist in a totally different way within autonomous structures and networks. We can witness some examples of this in different geographies, where autonomous structures and collectives whose labor is based on relational collaboration and self-organization are actively being pursued and developed. There are practical cases of self-organized labor structures managing well on their own, not only to sustain production but also to maintain fluid networks of creative collectivism and collaboration even though they are might based in a specific local territorial condition. Social Kitchen&Hanare (Kyoto), Souzy Tros (Athens), The Silent University, Decolonizing Architecture (West Bank), Architecture For All (Istanbul), Videoccupy (Istanbul) are founded by architects, artists and activists base on collectives as a reaction to the current economic crisis, spatial colonization, which cannot be separated from the political.

    In 2012, I did research artist run spaces and activist collectives in Japan based on my research focus question of what kind of practice they produce that creates forms of urban justice and alternative livelihood. Kyoto based collective Social Kitchen&hanare runs a heterogeneous economy based on exchange of labor and a café for basic infrastructure expenses.(1) Eviction was one of the main reason of the formation of this collective when they found a cheap space to run a café that combines collaboration with farmers, researchers, artists and designer that all shift their labor and knowledge in organizing action for urban justice as well as events, reading groups and discussions at Social Kitchen space. Social Kitchen&Hanare collective are a financially self-sufficient practice that deals with pressing social issues of everyday life. Under austerity and pressing surveillance and migration policies in the urban space of Athens, a similar space founded by the initiation of artist Maria Papadimitrou with the help of artists, architects, designers, NGO workers and immigrants, titled Souzy Tros, established as a food/sewing/art/design space based on the free exchange of labor. Maria Papadimitrou’s practice signifies the future imagination of a “coming community”.(2) A community that seems to be impossible to form but appears in a collective imaginary through everyday life practices. The old question about the role of art in the society becomes more important in this example against the recent global economical crisis, authoritarian neoliberal governments and weakening social ethics. What does the practices of Souzy Tros or Social Kitchen mean for us:  It reminds us, there are future imaginations on communities, there are practices of collectivity to be invented, there are alternative methodologies for institutional structure and pedagogy that artistic production can introduce various labor production that are beyond time-space and also dissemination of surplus.

    Most of these groups and networks are involved in urban pedagogy based in tools of empowerment and self-learning, teaching, acting, research, reclaiming alternative urban space, social media, urban farming and the requalification of city centers against aggressive real estate development plans. Additionally, they also undertake daily activities collaborating with temporary workers, the homelessness, and disenfranchised communities to create support structures for these groups. Besides their autonomous structures, they also try to create models of criticality connected to new forms of social relations and commoning.(3) Examples of this can be seen in the organization of discussant groups, collective actions, urban movements, and general meetings. From this perspective, their work can be seen as a research method for a practice of commoning – the being in common. I think the meaning of “commons” is not what we own or share or produce as property, ownership, economical means or accumulation, but more along the lines of what David Harvey points out as “social relations” that are closely connected to everyday life.(4)

    According to political economist Massimo De Angelis’s “Commons are a means of establishing a new political discourse that builds on and helps to articulate the many existing, often minor struggles, and recognizes their power to overcome capitalist society.”(5) He defines three notions in order to explain that the commons are not simply the resources that we share but a way of commoning: the way in which resources are pooled and made available to a group of individuals who then build or rediscover a sense of community, and the resulting social process of “being common”. Furthermore, food sociologist and activist Raj Patel focuses on how we define commons. He says: “Commons is about how we manage resources together.”(6) His argument is not only about managing and sustaining food growing and sharing but also about how food-related movements should be in solidarity with other movements. “Commons”, as understood here, is not a simple concept about collective sharing or ownership. It holds a sensitive position within a defined community and public, especially, in contested territories or cities undergoing or under threat of neoliberal destruction of their built environment. Negotiation and the conflict of values are keys in such commoning practices. Claiming the commons based solely on the idea of the collective use of property would therefore not constitute an example of commoning. As Stavros Stavrides argues, more than the act or fact of sharing, it is the existence of a ground for negotiation that is most important. Conceptualizing commons on the basis of the public, however, does not focus on similarities or commonalities but on the very differences between people that can possibly meet on a purposefully instituted common ground. We have to establish a ground of negotiation rather than a ground of affirmation of what is shared.(7)

    For Decolonizing Architecture Al-Masha refers to “common” instead of “commons”: „The notion of Al-Mashà could help re-imagine the notion of the common today. Could this form of common use be expanded by redefining the meaning of cultivation, moving it from agriculture to other forms of human activity?“, „How to liberate the common from the control of authoritarian regimes, neo-colonialism and consumer societies? How to reactive common uses beyond the interests of public state control?“ (8) Based in “occupied territories”, West Bank at Palestine; this architecture practice related initiation focuses on the reality of Palestinian refugees of creating spaces of common and consider the notion of “camp” as a potential space beyond neoliberal citizenship and dichotomy of public- private space. Through their activities Decolonizing Architecture, “common” differs both from public and private space. As we see in most cities and urban spaces, public and private spaces are under the control of government’s initiation.(9) Decolonizing Architecture by using militant research methodologies of urban and architecture is seeking potential spaces for common in the refugee camps and former military buildings together with different background researchers, refugees, activists and civil representatives. Proceeded with the inhabitants of Fawar camp, including the design a small public space is created through the initiation by young Palestinian refugees, families. A space of exchanging of everyday life experiences and local engagements can be the most important way of resistance against colonization. Another platform of alternative knowledge production and exchange is artist run practice The Silent University. The Silent University is an autonomous knowledge exchange platform by and for refugees, asylum seekers and migrants. The Silent University aims to challenge the idea of silence as a passive state, and explore its powerful potential through performance, writing, and group reflection. These explorations attempt to make apparent the systemic failure and the loss of skills and knowledge experienced through the process of silencing people who are seeking asylum.(10) The Silent University, which was initiated by artist Ahmet Öğüt with a lot of researchers (including myself) that he got involved to this platform has mainly two intertwined structures that deals firstly with the notion of subjectivity which is defined under “state of exception”: refugee/asylum seekers. Secondly, it processes a new format of alternative pedagogy in which the knowledge production appears as a co-existence not only for the refugees themselves but for the public, too. The whole structure as a mobile academy is a transversal machine where “citizenship” is experienced beyond clear borders. As a trans-local borderless knowledge production, The Silent University rhizomaticly reaches out to issues about citizenship, education, institutionalism, borders, war, being a refugee, documents/documenting, urban segregation, commons and others. This practice produces an “uncommon knowledge” about the shared experiences of humans and their representation. Thus it applies alternative research methods that involve artistic research and deconstruct common methodologies. In this context, The Silent University produces digital spaces such as academia.edu/silentuniversity, facebook, twitter, printed works and physical engagements of ambiguous researchers, academics which offers alternating ways of a performative archive and transversal research methodologies. If I spoke from an academic point of view (as a so-called social scientist), I would claim that there has occurred a methodological crisis in research in recent years that resulted from a conservative, closed-circle orthodoxy in academia. Aside from the issue of conducting quantitative and qualitative research methodologies separately or the problems of grounding theory in empirical practice, the discussion of embedded situational research methods has been much neglected in academia. Additionally, the multiplicity of new forms for contemporary knowledge production urges us to adapt our methods. Furthermore, from a Deleuzian perspective, in our complex societies ‘data’ is a rhizomatic assemblage that needs to be searched, evaluated, analyzed and represented with complex tools or, indeed, with new research tools invented accordingly.(11) This means visuality as both a concept and a product is not only a representation of knowledge but also the machine that drives it. Therefore in contemporary art production such as in the case of The Silent University, the practice becomes a “method” itself, which is a challenging notion not only in the contemporary art field but also in methodology discussions in fields such as education, social sciences or urban conflict. I would therefore not prefer to call The Silent University a “project” but an instituting practice, a becoming archive and a method itself. It could be a similar example as Videoccupy collective, which I co-founded together with video activists on 2nd of June when we were in Gezi Park. The initiation aimed to record the visual memory and to archive the resistance process between 27th of May and 31st of July 2013; they have collected recordings done with devices such as iPads, phones and video cameras and created an archive comprising of the whole collected material. For us, using video and creating videograms as an emancipative device in not only in this resistance but also in our everyday lives: We do not show or represent, we produce the potentialities of the action of “I see”. (12)

    Such practices of assemblages and potential instant alliances mentioned above, are important to consider that how the labor exchange strategies they operate. They are generally based both on immaterial and physical labor, there is no separation between these labor production. Here, the alienating forces of immaterial labor disappear and the surplus is handled on the basis of ethics rather than capitalist market imperatives. In this context, community economies and surplus dissemination processes that is inspired by economist-geography researcher JK. Gibson – Graham’s theory and research is meaningful. For them a political collective action requires “working collaboratively to produce alternative economic organizations and spaces in place.” (13) By providing empirical examples of community economy; “collective action” for them is: “The ‘collective’ in this context does not suggest the massing together of like subjects, nor should the term „action“ imply an efficacy that originates in intentional beings or that is distinct from thought. We are trying for a broad and distributed notion of collective action, in order to recognize and keep open possibilities of connection and development.”(14) According to that a collective action requires a ethic of community economy, which I would articulate more as an act of ethics of locality that meets our everyday knowledge, livelihood in both urban and rural spaces.(15) The relational network established here is more of an instant community that chooses to think and discuss together rather than a normative structure. Self-organization is not a simple hierarchy based on certain labor activities and their division, but conversely, it is a work/labor structure that allows one to be a farmer in the morning and a graphic designer in the afternoon. To reiterate Stavrides sharp analysis, collaboration is not about affirmation, but negotiation. It is about debating critical issues in an urban space that is itself a pressing and compelling concern. Creating collective, non-clerical, political action in the urban space is not about the organization or the event itself, but about co-existing and functioning together to achieve commoning. This is rooted on a reconsideration and realization of our practices of collaboration, alternative economies, autonomous networks, self-organization and surplus strategies, which are different from what neoliberal realities and production logics try to force us upon us. The Gezi Park resistance experience is about collaborating, moving in solidarity despite our differences, voluntary work, a non-partisan, non-clerical yet democratic platform, and friendship. Before the government dispersed the Gezi Park protestors on the 15th of June, food, beverage, and all other needs were managed by self-initiated groups. Furthermore, a vegetable and flower garden was even set up in the park. As seen here, all self or collective initiatives are based on voluntary labor exchange in general terms, but they also beyond, as exchange labor in this case is not a practice where one could be called a “volunteer.” Being a “volunteer” here both exceeds and diminishes this new form of working together, as the “voluntary” in labor represents the very source of the power of collective action. The Istanbul based collective Architecture for All (Herkes İçin Mimarlık) (16) created drawings during Gezi resistance. In Geziresistance, a temporary mosque, a movable food collective made up with simple materials and tent, an over expanding open hospital…these are examples of in situ and instant architecture in Taksim square and Gezi. Straps represent the borders of each section and places in Gezipark that marks the function of the places; the straps expand or shrink according to people needs. Performative architecture most often can be experienced during the condition of  “state of emergency”, conflict urbanism, instant architecture and radical spatial resistance practices. These relational resistance structures lead Architecture for All to create occupygeziarchitecture initiation in which they claimed: “We need new definitions for architecture in situations when architecture is removed from architects. Each unique structure that we encounter in the streets and Gezi Park has its own in-situ design and implementation process.”(17)

    We are in a concrete phase of local movements that offer self-organized collectives attached to trans-local networks, which are able to create rhizomatic dissemination and surplus. At the other hand, “occupy” in different cities introduces a realm of commune practice of differences that gathered already existing collective resistance practices. The differences of movements from the 20.century and since Seattle and the heterogeneity of labor and communities of them are already discussed/announced in the writings of Negri/Hardt. The differences of the 20.century movements from anti-global protests that follow up with occupy movements concern unique forms of solidarity, translocal networks and types of transversal knowledge, pedagogy.

    For philosopher Simon Critchley: “We can talk about Occupy. Occupy is not revolution – it is rebellion – but it is very interesting and it has made a very different set of political tactics available. Occupy is something very familiar to many of the people on the anarchist left…. I believe in a low-level, almost invisible series of actions, which at a certain point reach visibility and then really have an effect. As Gramsci would say, politics is not a war of maneuver or frontal assault on power. It is a tenacious and long-lasting war of position. This requires optimism, cunning and patience.”(18) Furthermore for Franco “Bifo” Berardi, occupy movements is a pleasure of the other body, and an empathy of the other alliances.(19) In my opinion it is somehow we do not speak about a new activism anymore; we do speak about an uncommon knowledge that we creating, a new instituting power and a collective labor. Thus, it could be linked back to the practice of Decolonizing Architecture and their intention of questioning the “commons” with Al-Masha (common), which the form of research “is collective, relational and active”. It is merely about when they describe their ideas behind their action: “to establish a different balance between withdrawal and engagement, action in the world and research, fiction and proposal.” (20)

    We are at that moment right now.

    Pelin Tan, researcher and writer based in Mardin and Istanbul. Tan is an associate professor at the faculty of Architecture, Mardin Artuklu University. Background with Sociology and Art History, Tan completed her post-doc research on “artistic research” at ACT program in MIT – Cambridge. She is a receiver of DAAD (Germany), IASPIS (Sweden), GeoAir (Georgia) and The Japan Foundation (Japan) research grants. Tan is a co-director of 2084 episodes films on the future history of art with Anton Vidokle. Books: Ethics of Locality: Urban Commons (dpr – Barcelona, 2015), Unconditional Hospitality and Threshold Architecture (dpr – Barcelona, 2015), ARAZİ / TERRITORY (Critical Spatial Practice Series, Strenberg Press, 2015).

    Bibliography

    Cornelius Castoriadis, The Imaginary Institution of Society, trans. K. Blamey [Cambridge: MIT Press, 1998

    1 . A useful commentary on this was made by art writer and curator Pauline Yao in context of art production and collectives: “Art collectives, alternative art spaces, deterritorialized social and relational practices all fit within this schema and present possible critical models for how we understand and witness the ways in which art can exert its own energy upon a given environment or social context, rather than simply emerge as its by product.” Pauline Yao quoted from “A Game Played Without Rules Has No Losers”, e-flux Journal 7, June 2009, New York.

    2. David Harvey interviewed by Pelin Tan, Ayşe Çavdar (June, 2012, Istanbul).

    Harvey, D., 2012. Rebel Cities: From the Right to the City to the Urban Revolution. London: Verso.

    3. An Architektur, 2010. “On the Commons: A Public Interview with Massimo De Angelis and Stavros Stavrides,” e-flux Journal 17 June 2010, New York.

    4. Patel, R., 2008. The Hungry of Earth, Radical Philosophy, No.151, Sept/Oct., London.

    5. An Architektur, 2010. On the Commons: A Public Interview with Massimo De Angelis and Stavros Stavrides, E-flux Journal 17 June 2010, New York.

    6. http://herkesicinmimarlik.org/en/

    7. http://occupygeziarchitecture.tumblr.com

    http://www.e-flux.com/journal/breaking-the-social-contract

    http://souzytros.wordpress.com/

    JK.Gibson – Graham

    8. http://thesilentuniversity.org

    9.Pelin Tan, commissioned review on Deleuze and Research Methodologies, eds. Rebecca Coleman and Jessica Ringrose, Edinburgh: Edinburgh Press, 2013 for Visual Studies Journal (IVSA), Taylor&Francis.

    0 http://thesilentuniversity.org

    1 Pelin Tan, commissioned review on Deleuze and Research Methodologies, eds. Rebecca Coleman and Jessica Ringrose, Edinburgh: Edinburgh Press, 2013 for Visual Studies Journal (IVSA), Taylor&Francis.

    http://thesilentuniversity.org

    http://videoccupy.org/

    http://www.youtube.com/channel/UCDhtsYy5VC09T0ixjHmhBQQ

    , 2014 Allgemein \
  • Kundgebung zum 8. März in Istanbul

    Frauen versammeln sich zu einem Feministischen Nachtmarsch am Internationalen Frauentag in der Istiklal Strasse.

    Women gather for the feminist night march on international women`s day on Istiklal Street.

  • Kundgebung zum 8. März in Istanbul

    Frauen versammeln sich zu einem Feministischen Nachtmarsch am Internationalen Frauentag in der Istiklal Strasse.

    Women gather for the feminist night march on international women`s day on Istiklal Street.

  • Kundgebung zum 8. März in Istanbul

    Frauen versammeln sich zu einem Feministischen Nachtmarsch am Internationalen Frauentag in der Istiklal Strasse.

    Women gather for the feminist night march on international women`s day on Istiklal Street.

  • Kundgebung zum 8. März in Istanbul

    Frauen von feministischen, migrantischen, kurdischen, LGBT- Bewegungen, Frauenorganisationen, Gewerkschaften und Studentischen Organisationen versammeln sich in Kadiköy um den Internationalen Frauentag zu feiern.

    Women from feminist movements, women’s organizations, labor and professional organizations, trade unions, students‘ organizations, migrants, LGBTI organizations, Kurdish movements, houseworkers gathered in Kadikoy, Istanbul to celebrate International Working Women’s Day.

  • Weltfrauenmarsch

    Der 4. Internationale Weltfrauenmarsch, der alle fünf Jahre seit 2000 stattfindet, startet in Nusaybin und Mardin am 07. März. Frauen aus elf verschiedenen Ländern werden ihre Kundgebung in Diyarbakir am 08. März fortsetzen. Der 4. Internationale Weltfrauenmarsch ist eine feministische Aktion um gegen Gewalt an Frauen zu protestieren und für deren Rechte zu kämpfen.

    The 4th International Action of the World March of Women, which take place every five years since 2000, started in Nusaybin and Mardin on the 7th of March. Women from over 11 different countries will continue their rally in Diyarbakır on the 8th of March. The 4th World March of Women is a feminist movement to protest violence against women and to speak out for their rights.

  • Kundgebung zum 8. März

    Frauen versammeln sich in Gedenken an Özgecan Aslan und skandieren „Von Rosa zu Sakine, Arin zu Kader, Konca zu Özgecan“ während der Aktivitäten zum Internationalen Frauentag. Sie rufen alle Frauen auf auf die Strasse zu gehen und sich gegen Gewalt zu wehren.

    Women gather for the memory of Özgecan Aslan and started the activities of „8th March International Women’s Day“ week chanting „From Rosa to Sakine, Arin to Kader, Konca to Özgecan“. They called all the women to go out on the streets and be organized against violence.

  • Aufstand der Frauen gegen Femizid

    Frauen marschieren von Tünel zum Galatasaray Platz um gegen Gewalt an Frauen zu protestieren.

    Women marched from Tünel to Galatasary Square to protest the increasing femicide and men’s violence against women.

  • Aufstand der Frauen gegen Femicide

    Frauen marschieren von Tünel zum Galatasaray Platz um gegen Gewalt an Frauen zu protestieren.

    Women marched from Tünel to Galatasary Square to protest the increasing femicide and men’s violence against women.

  • Tag 8 der Proteste im Gezi Park

    Ausblick vom Atatürk Kulturzentrum zum Taksim Platz. Das Gebäude, eines der wichtigsten Kulturzentren von Istanbul, ist seit 2008 geschlossen. Die Regierung will es abreißen und ein neues Zentrum bauen, aber viele mißtrauen diesem Plan. Während der Proteste war die Fassade mit den verschiedensten politischen Transparenten bedeckt.

    Looking out at Taksin Square from insite Ataturk Cultural Center. The building, one of Istanbuls most important art centers has been closed since 2008. The government proposal is to tear it down and build a new art center but many are skeptical that they will follow through once the old building is demolished. During the protests the cultural centers facade was covered with a diverse range of political banners.

    , 2013 Gezi \
  • 500. Woche der Samstag Mütter

    Die Samstag Mütter und tausende Unterstützer versammeln sich am Galatasaray Gymnasium zum Jubiläum der 500. Woche.
    Die Samstag Mütter treffen sich in Gedenken an ihre verschwundenen Familienmitglieder. In der Form eines sit-ins, mit Kleidungsstücken und Bildern der Verschwundenen in ihren Händen, beschuldigen sie die Regierung für das Verschwinden verantwortlich zu sein.

    The Saturday Mothers and thousands of supporters gathered at Galatasaray Lisesi for their 500th week’s anniversary. The Saturday Mothers gather in reminiscence for the loss of their relatives‘ lives. In the form of a sit-in, with cloves and photographs of their missing relatives in the hands, they accuse the government of being responsible for their unknown whereabouts and their deaths.

  • Verschwunden in Untersuchungshaft

    Die Mitglieder der HRA und der Kommission Gegen Verschwinden unter Aufsicht zeigen Bilder von vermissten Personen und fragen die Menschen auf der Strasse nach Hinweisen an jedem Samstag.

    The members of HRA and The Commission Against Missing Under Custody show the photograph of the missing people under custody to the people on street and ask if they recognize them or not in every Saturday meeting.

  • Verschwinden unter Aufsicht

    Das Plakat der Gesichter von vermissten Personen im Büro von YAKAYDER, einer Hilfsorganisation für die Familien der Verschwundenen. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen beläuft sich die Anzahl der Vermißten bislang auf 1247 Personen.

    The poster of the portraits of people who are missing under custody and people who are the victims of unsolved murders in the office of YAKAYDER (Help and Support Association for the Families of People Missing Under Custody). According to the Human Rights Association and Foundation of Human Rights in Turkey the number of the missing people under custody became 1247.

  • Friedensmütter

    Familien tragen Bilder von Angehörigen und Freunden, die umgekommen sind bei einem Protestmarsch, der von der Solidaritätsorganisation Familien die Freunde und Verwandte verloren haben veranstaltet wurde.

    Families carry photographs of their relatives and friends who died in the battles during the walk arranged by Mesopotamia Association of Solidarity with Families Who Lost Their Friends and Relatives.

  • Gedenken an Soma

    Menschen versammeln sich in Kadiköy um an die Verunglückten des Minenunglücks von Soma am 13. Mai zu erinnern.

    People gather in Kadıköy for the vigil of people who lost their lives in Soma disaster on 13th of may.

    , 2014 Soma \
  • Proteste gegen Minenunglück

    Die Polizei geht in Kadiköy mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Protestierende vor, die an die fast 300 Toten beim Minenunglück der Soma Kömür İşletmeleri A.Ş. am 13. Mai erinnern.

    In Kadıköy police fired water cannon and tear gas to disperse the people who protest the mine disaster where nearly 300 people died because of the explosion at the Soma Kömür İşletmeleri A.Ş. on 13th of may.

    , 2014 Soma \
  • Proteste gegen Minenunglück

    Die Polizei geht in Taksim mit Wasserwerfern, Gummigeschossen und Tränengas gegen tausende Protestierende vor,
    die an die über 350 Toten beim Minenunglück der Soma Kömür İşletmeleri A.Ş. am 13. Mai erinnern.

    In Taksim police intervened with tear gas, water canons and rubber bullets to disperse thousands of protesters. According to unofficial figures the death toll from the explosion at the Soma Komur İsletmelerı A.S. mine has reached over 350.

    , 2014 Soma \
  • Soma Minenunglück

    Nach unbestätigten Angaben hat sich die Anzahl der Toten beim Minenunglück der Soma Kömür İşletmeleri A.Ş. am 13.05.2014 auf über 350 erhöht. Wie viele Menschen noch eingeschlossen sind, ist noch unklar.

    According to unofficial figures the death toll from the explosion at the Soma Kömür İşletmeleri A.Ş. mine occured on 13 may 2014 has reached over 350. The number of people who remain trapped in the mine is still unknown.

    , 2014 Soma \
  • Die Millionen-Dollar-Aussicht

    Ein Imker schaut zur neuen Trabantenstadt Narcity im Zumrutevler Bezirk von Maltepe auf der Anatolischen Seite von Istanbul. Istanbul wurde in den 80er Jahren zu einer schnell wachsenden Metropole. Die Bevölkerung vervielfachte sich von 3 Millionen in den 80er Jahren auf 14 Millionen Einwohner im Jahr 2011. Die Stadt breitete sich durch den hohen Bedarf an Wohnungen vom Zentrum auf die Außengebiete aus, doch die Regierung betrachtet die damit verbundenen Probleme und die städtische Transformation mehr aus einer profitorientierten Perspektive.

    An apiarist look across the new satellite city, Narcity in Zumrutevler quarter of Maltepe district on the Anatolian side of Istanbul. Istanbul became a migration receiving metropolis with the rapid growth after 1980s. Population of the city is estimated approximately 14 millions in 2011 which was around 3 million in the beginning of the 80s. The city started to spread out from the center to the borders with the increasing housing requirements and sheltering problems but actual governmental policies of urban transformation are primarily profit-oriented rather than humanistic.

  • Die Millionen-Dollar-Aussicht

    Der Basibüyük Bezirk auf der Anatolischen Seite von Istanbul.
    Istanbul wurde in den 80er Jahren zu einer schnell wachsenden Metropole. Die Bevölkerung vervielfachte sich von 3 Millionen in den 80er Jahren auf 14 Millionen Einwohner im Jahr 2011. Die Stadt breitete sich durch den hohen Bedarf an Wohnungen vom Zentrum auf die Außengebiete aus, doch die Regierung betrachtet die damit verbundenen Probleme und die städtische Transformation mehr aus einer profitorientierten Perspektive.

    Basibuyuk quarter of Maltepe district on Anatolian side of Istanbul. Istanbul became a migration receiving metropolis with the rapid growth after 1980s. Population of the city is estimated approximately 14 millions in 2011 which was around 3 million in the beginning of the 80s. The city started to spread out from the center to the borders with the increasing housing requirements and sheltering problems but actual governmental policies of urban transformation are primarily profit-oriented rather than humanistic.

  • Laßt die Journalisten frei

    Freunde und Kollegen des Photojournalisten Ahmet Sik versammeln sich in der Postfiliale von Galatasaray, um ihre Photos ins Silivri Gefängnis zu schicken, wo er inhaftiert ist.

    Friends and colleagues of photo-journalist Ahmet SIK gathered at Galatasaray Post Office to send their photos to Silivri Prison where he is under arrest.

  • Laßt die Journalisten frei

    Tausende Protestanten in Istanbul verlangen die Freilassung von Journalisten am 04. März 2011. 68 Journalisten sind derzeit in Haft und mehr als 2000 Gerichtsverhandlungen gegen Journalisten bzw. mehr als 4000 Untersuchungsverfahren gegen Journalisten sind im Gange.

    Thousands protest in Istanbul demanding journalists release on 4 March 2011. There are 68 journalists in prison, more than 2,000 court cases pending against journalists and more than 4,000 investigations are being carried out.

  • Die Operation 19. Dezember gegen politische Gefangene

    Mitglieder von TAYAD (Solidaritätsvereinigung von Familien Inhaftierter) protestieren gegen die Regierungspolitik am Jahrestag der Operation 19. Dezember gegen politische Gefangene. Während dieser militärischen Operation wurden 30 politische Gefangene getötet.

    TAYAD (Association of Prisoners Families for Solidarity ) members protest government policy at anniversary of 19 December Operation against political prisoners. During military operations 30 political prisoners has been killed.

  • 11. Gay Pride

    Nach einem Monat des Protests marschieren Tausende Aktivisten der 11. Gay Pride und vom Gezi Park auf der İstiklal Allee in Taksim. Flaggen und Transparente in den Regenbogenfarben in Türkischer, Kurdischer, Armenischer und Arabischer Sprache unterstützen den Frieden.

    After a month of protests, the 11th gay pride march as thousands of gay rights activists as well as demonstrators who participated in Gezi Park gatherings marched on the İstiklal Avenue, Taksim. Rainbow flags and banners supporting peace in Turkish, Kurdish, Armenian and Arabic were displayed.

    , 2013 LGBT \
  • 11. Gay Pride

    Nach einem Monat des Protests marschieren Tausende Aktivisten der 11. Gay Pride und vom Gezi Park auf der İstiklal Allee in Taksim. Flaggen und Transparente in den Regenbogenfarben in Türkischer, Kurdischer, Armenischer und Arabischer Sprache unterstützen den Frieden.

    After a month of protests, the 11th gay pride march as thousands of gay rights activists as well as demonstrators who participated in Gezi Park gatherings marched on the İstiklal Avenue, Taksim. Rainbow flags and banners supporting peace in Turkish, Kurdish, Armenian and Arabic were displayed.

    , 2013 LGBT \
  • 4. Trans Pride Marsch Istanbul

    Tausende versammeln sich am Taksim Platz zum 4. Trans Pride Marsch in Istanbul. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Unterstützer marschieren die Istiklal Strasse entlang und fordern mehr Rechte und Unterstützung des Widerstands im Gezi Park.

    Thousands gathered at Taksim Square for 4th Trans Pride March in Istanbul. Lesbians, gays, bisexuals, transsexuals and supporters marched entire Istiklal Street with slogans for their rights and to support Gezi Park resistance.

    , 2013 LGBT \
  • 4. Trans Pride Marsch Istanbul

    Tausende versammeln sich am Taksim Platz zum 4. Trans Pride Marsch in Istanbul. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Unterstützer marschieren die Istiklal Strasse entlang und fordern mehr Rechte und Unterstützung des Widerstands im Gezi Park.

    Thousands gathered on Taksim Square for Trans Pride March in Istanbul. Lesbians, gays, bisexuals, transsexuals and supporters marched entire Istiklal Street with slogans for their rights and to support Gezi Park resistance.

    , 2013 LGBT \
  • Der Fall Hrant Dink

    Tausende Protestierende erinnern am 5. Jahrestag an den Mord an dem Türkisch-Armenischen Journalisten Hrant Dink am 19.01.2012. Dink, eine der bekanntesten Stimmen der Armenischen Gemeinde in der Türkei, wurde am 19.01.2007 erschossen.

    Thousands of protesters marked the fifth anniversary of Turkish-Armenian journalist Hrant Dink s murder,in Istanbul, on January 19, 2012. Dink, one of the most prominent voices of Turkeys shrinking Armenian community, was killed by a gunman on January 19, 2007.

  • Trauer für Armenische Opfer des Genozids von 1915

    Menschen trauern während einer Zeremonie zum 95. Jahrestag des Massakers an den Armeniern im Jahr 1915 im Osmanischen Reich. Menschenrechtsaktivisten halten Bilder von armenischen Opfern im Haydarpasa Bahnhof während einer Demonstration zum Gedenken an den Armenischen Völkermord.

    People mourn during a ceremony to commemorate the 95th anniversary of the 1915 massacre of Armenians in the Ottoman Empire in Istanbul. Human rights activists hold pictures of Armenian victims in front of the Haydarpasa train station during a demonstration to commemorate the 1915 mass killing of Armenians in the Ottoman Empire.

  • Ein historischer Überblick

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    Izmir 1980, Kadir Can

     1) Wirtschaftlicher und politischer Wandel: Politikgeschichte und soziale Bewegungen in der Türkei

    In welchen wirtschaftlichen und politischen Kontext sind soziale Bewegungen in der Türkei seit den 60ern bis in unsere heutige Zeit eingebettet? Um den Einfluss der„wirtschaftlichen Entwicklungs“-modelle auf die politische Herrschaftsstruktur herauszulesen zu können und um die Reflexion des sozio-politischen Machtformierungshergangs innerhalb der sozialen Bewegungen deutlich zu machen, ist es sinnvoll diesen historischen Prozess in fünf Phasen einzuteilen und zu untersuchen:

    1. 1960-1970er Jahre

    Mit dem Putsch und der Machtübernahme vom 27. Mai 1960 hinterließ das Militär eine gegenüber den Regierungen Misstrauen hegende Verfassung. Dieser Riss im Herrschaftsblock erschuf bruchstückhafte Freiräume. Auf der ökonomischen Ebene hingegen migrierten Menschen aus den Dörfern in die Städte, und die Arbeiter*innenbevölkerung nahm stetig zu. Sie wünschte sich ein besseres Leben. In der zweite Hälfte der 1960er Jahre war der Einfluss der globalen 68er Welle sowie der Nationalen Unabhängigkeitsbewegungen auf die Jugend in der Türkei nicht zu übersehen. Am 15. und 16. Juni 1970 kam es zu Massenproteste von Arbeiter*innen. Zehntausende gingen in den Großstädten auf die Straße um sich gegen das Gesetz zu widersetzen, das ein Verbot der Konföderation der Revolutionären Arbeitergewerkschaften (tr. DISK) beabsichtigte; insbesondere in Istanbul kam es zum Stillstand.

    Trotz der enormen Repression gegen linke Bewegungen durch das Memorandum von 1971 trat die soziale Opposition gestärkter hervor. Der 1. Mai 1977 markiert die Verkörperung dieser sozialen Bewegungen. Doch eine Schießerei prägte die Massenkundgebung, bei der geschätzt 500 000 Menschen teilgenommen hatten. Der Schuss aus einem Hotelzimmer brachte Chaos auf die Straße, und die Kundgebung prägte sich als Massaker ins Gedächtnis ein. 34 Menschen verloren ihr Leben. Zu ähnlichen Angriffen kam es in den Jahren 1977 bis 1980, die Massaker an Alevit*innen in Maraş und Çorum wurden begleitet von Straßenkämpfen zwischen Faschist*innen und Revolutionär*innen in den Großstädten. Die feindliche Haltung der Regierungen der so genannten „Nationalen Front“ gegenüber der Linken war ein weiteres bestimmendes Element jener Periode.

    Zu dieser Zeit hielt die Türkei an der Strategie der importsubstituierenden Industrialisierung fest. Mit Erlass vom 24. Januar 1980 wurde ein erster Schritt getan um dieser Periode ein Ende zu setzen.

    1. 1980er Militärputsch und die Post-Putsch Ära:

    Nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 befanden sich Mitglieder sozialer Bewegungen entweder im Gefängnis oder sie flüchteten ins Ausland. Die Willkür und Rechtsverletzung der Militärjunta entflammte den Kampf für Menschenrechte. Das Militär überließ die Regierung den zivilpolitischen Parteien, verließ es die politische Bühne jedoch keineswegs, denn es wurde davon ausgegangen, dass die Zivilpolitik mit den vom Militär vorgegebenen politischen Maßstäben konform war. Vor dem Putsch waren Parteien verboten; die ANAP Partei (dt. Mutterlandspartei) sammelte mitte-rechts Wahlstimmen ein und konnte somit ihren Platz als stärkste Kraft im Parlament sichern. Gleichzeitig wurden zu diesem Zeitpunkt Menschenrechtsvereine gegründet, und soziale Bewegungen, deren Zentrum in erster Linie revolutionäre Vereine bildeten, wurden von nun an von Nichtregierungsorganisationen getragen. Wesentliche Punkte der Agenda von sozialen Bewegungen waren Themen wie die schlechte Bedingung in den Gefängnissen und Folter. Die vom Militär in Kraft gesetzte Verfassung begründete ein Willkürregime.

    Schwachstellen der Opposition der 70er wurden nach 1980 auf einer politischen Ebene problematisiert und diskutiert. So entstand in der Türkei gegen Ende der 80er die einflussreiche feministische Bewegung als Teil der sozialen Bewegung. Zeitgleich gewannen anarchistische, anti-militaristische und LGBT*I* Bewegungen deutlich an Sichtbarkeit. Anfang der 90er kristallisierte sich der „Umweltschutz“ als eine neue Strömung innerhalb der sozialen Bewegungen heraus. Die Türkei kam Dank der Dorfbewohner*innen aus Bergama mit der Umweltbewegung in Berührung. Diese hatten sich gegen den Goldabbau mittels Zyanid gewehrt, und der Umweltschutz wurde fortan fester Bestandteil innerhalb der sozialen Bewegungen.

    Mit den Beschlüssen vom 24. Januar 1980 fand die vor dem Putsch in Kraft gesetzte importsubstituierende Industrialisierung ein Ende und die Marktöffnung und Ausrichtung für Weltmärkte wurde gegen den Willen der Arbeiter*innenorganisationen eingeführt, über deren Auflösung per Beschluss entschieden wurde. Somit schlossen sich auch die Arbeiter*innen, die schwere Einbußen in ihrer Einflussnahme hinnehmen mussten, zu den verschiedenen Kämpfen der sozialen Bewegungen an um ihre Grundrechte wiederzuerlangen.

    Demgegenüber erklärte die PKK mit mehreren Angriffen auf Polizeistationen im Jahr 1984 den Krieg gegen den türkischen Staat und gewann stetig mehr an Macht.

    1. 1990er:

    Die 1990er markieren eine Zeit der Instabilität in der Türkei. Während zu jeder Phase der Republik bedeutende politische Figuren herausstachen, wurden sie in dieser Ära förmlich weggefegt. Denn nun waren die Fehlschläge im Krieg gegen die PKK ein Bestimmungsfaktor für Instabilität.

    Mit Ausnahme von Kurdistan, das per Ausnahmegesetz regiert wurde, lockerten sich die nach dem Putsch angeordneten Bestimmungen allmählich. Die Türkei wurde zwar nach wie vor per Putschgesetze regiert, diese waren allerdings nicht mehr effektiv genug. In den Jahren 1993-1996 erlebte die Türkei das finsterste Kapitel ihrer Geschichte. Am 2. Juli 1993 wurden 33 Menschen, unter denen sich auch mehrere Künstler*innen, Dichter*innen und Schriftsteller*innen befanden, im Hotel Madımak (Sivas) durch einen Angriff von islamistischen Fundamentalist*innen verbrannt und getötet. Die im Jahr 1995 entbrannten Straßenkämpfe im Gazi Viertel (Istanbul) ausgelöst durch den Mord eines Dedes (Geistlicher im Alevitentum) sind ein prägendes Ereignis dieser Phase. Wir wurden Zeug*innen einer Ära, in der zahllose außergerichtliche Hinrichtungen und erzwungenes Verschwinden von politischen Gegner*innen erfolgten; in der eine Vielzahl von Menschen nach ihren Verhaftungen nie wieder zurückgekehrt sind. Auch wurden mehrere hunderttausende Kurd*innen aus ihren Dörfern vertrieben, weil diese ihre Solidarität mit der einflussreichen PKK zeigten; ihre Dörfer wurden niedergebrannt. Ein Autounfall bei Susurluk (Stadt im Westen der Türkei) führte die Dimension der finsteren politischen Atmosphäre deutlich vor Augen. Ein Polizeibeamter, ein Abgeordneter und ein Mafioso befanden sich im selben Auto. Eine vollständige Aufklärung dieser Verflechtung wurde gefordert, und die Aktion „Aydınlık için bir dakika karanlık” (dt. „Eine Minute Dunkelheit für dauerhaftes Licht“) wurde gestartet. Die Ermittlungen wurden jedoch nicht tiefgründig geführt.

    Wirtschaftlich gesehen bestimmte die Inflation den Alltag der 1990er. Bei Wahlkämpfen wurden unter anderem „allen Familien zwei Schlüssel“ versprochen (Anmerk. d.Ü.: Tansu Çiller versprach dabei jeder Familie in der Türkei einen Haus- und einen Autoschlüssel), aber keines dieser Versprechen wurde je eingehalten. Das Misstrauen gegenüber der Politik war spürbar. Keine der mit rund 20 % Stimmen gewählten Partei, die die vom Militärregime festgelegte Zehn-Prozent-Hürde überwinden konnte, war entschlusskräftig genug. Die Refah Partei (dt. Wohlfahrtspartei) repräsentierte eine islamische Strömung und stieg zu einer Zeit des politischen Durcheinanders stetig auf.

    Während sich die politische Stimmung im Westen der Türkei nach dem Putsch lockerte, sah sich Kurdistan für weitere 30 Jahre mit immensen Repressionen konfrontiert, und der Putsch war allgegenwärtig. Der Ausnahmezustand verschaffte Polizei und Armee Macht. Für lange Zeit war das Sprechen auf kurdisch oder das einfache Bezeichnen eines Menschen als Kurd*in verboten. Unter diesen Bedingungen hat sich die PKK formiert und kontinuierlich an Einfluss gewonnen. Die kulturelle Freiheit in Kurdistan war stark eingeschränkt. Ahmet Kaya, der zuvor im Fernsehen bekannt gegeben hatte, er wolle einen Videoclip auf Kurdisch drehen, wurde Opfer eines Lynch-Angriffs und entschied sich die Türkei zu verlassen. In dieser Atmosphäre der Unterdrückung entfaltete sich jeder Moment, der pro- kurdischer Natur war, zu einer Widerstandsaktion. Im Ausnahmezustand waren selbst Beerdigungen von Guerillakämpfer*innen Widerstandsaktionen. Zu einem weiteren Schauplatz der Selbstrepräsentation der Kurd*innen zählten die Newrozfeierlichkeiten (dt. Neujahrsfeier). Der brutalen Herrschaft zum Trotz entwickelte sich Newroz zu einem politisch-kulturellen Ereignis und war ein ästhetischer Ausdruck des Widerstands in Kurdistan.

    Der „postmoderne Coup“ vom 28.02.1997 setzte dem Aufstieg der Refah Partei ein Ende. Dabei hatte das Militär den religiösen Reaktionismus als eine Bedrohung eingestuft. Mit dem Rückzug der Doğru Yol Partisi (dt. Partei des Rechten Weges) aus dem Parlament löste sich die Regierung löste auf. Die Refah Partei wurde verboten.

    In den 1990ern war das Parlament zwei Mal in Folge Schauplatz des Verbots von Repräsentant*innen sozialer Bewegungen. Bei dem ersten Verbot handelte es sich um die Absetzung und Verhaftung von kurdischen Abgeordnet*innen, unter denen sich auch Leyla Zana befand, weil sie die Eidesformel auf Kurdisch abgelegt hatten. Ein weiteres Verbot richtete sich an die Kopftuch tragende Abgeordnete der Refah Partei Merve Kavakçı.

    Die Phase der politischen Instabilität intensivierte sich mit der Krise von 2001, viele Menschen, die sich erneut auf die Suche nach einer politischen Alternative begaben, sahen sich mit der neu gegründeten gemäßigten Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP; dt. Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) konfrontiert, die eigener Behauptung nach ihre islamischen Gewänder fallen gelassen hatte.

    1. 2000er und AKP-Periode

    Nach der Krise wurde Kemal Derviş das Amt des Wirtschaftsministers übertragen, er war tätig bei der Weltbankgruppe. Derviş implementierte ein radikales Programm. In der ersten Wahl, die nach seinem wirtschaftlichen Rezept gegen die Krise erfolgte, spiegelte sich die Antwort der Gesellschaft auf die Arithmetik des Parlaments wider: keine der sich zuvor im Parlament befindenden Parteien wurde wiedergewählt, und der politische Unterbau wurde vollständig ausgewechselt. Die erst neu gegründete AKP trat mit 35 % Stimmen eine Alleinregierung an. In späteren Wahlen gewann sie stetig an Stimmen. In ihrer ersten Regierungsphase listete die AKP die Integration der Türkei in die EU und die Demokratisierung an erster Stelle ihrer politischen Agenda. Wodurch jedoch das Misstrauen gegenüber der Partei seitens der Laizist*innen nicht abnahm. Im Jahre 2007 wurden Cumhuriyet-Meetings (dt. Republik-Meetings) abgehalten, wobei deren politische Linie recht bald verebbte.

    Die PKK, die von 1999 bis 2005 einen einseitigen Waffenstillstand ausgerufen und den Abzug ihrer Kämpfer*innen aus der Türkei bekanntgegeben hatte, setzte diesem mit einem Angriff auf eine Polizeistation ein Ende und ließ seine Kämpfer*innen wieder in die Türkei einmarschieren. Der politische Konflikt gelangte erneut in die Schlagzeilen, bedrohte die AKP Regierung jedoch in keiner Weise.

    Mit der Begründung sie bilde ein„Zentrum von Aktivitäten gegen den laizistischen Staat“ eröffnete das türkische Verfassungsgericht im Jahre 2008 ein Verfahren gegen die AKP, das wegen einer fehlenden Stimme eingestellt wurde.

    Die AKP setzte 2010 mit dem Verfassungsreferendum u.a. Justizreformen um. Seitdem und bis 2013 wurden die Stimmen immer lauter, die das Erstarken des Autoritarismus kritisierten.

    Zwei weitere wichtige Ereignisse prägten diese Ära: Der Mord an den Journalisten Hrant Dink am 19. Januar 2007 und die Unfähigkeit die Mörder ausfindig zu machen sowie die Bombardierung aus einem Militärflugzeug 33 unbewaffneter kurdischer Dorfbewohner*innen in Roboskî am 28. Dezember 2011. Dass das Ereignis von Roboskî sehr intensiv innerhalb der Social Media thematisiert und diskutiert wurde, aber in keiner einzigen Fernsehnachricht erwähnt wurde, brannte sich in das kollektive Gedächtnis ein: die Medien hatten nun offiziell ihr Potenzial, die Regierung unverfroren kritisieren zu können, gänzlich verloren.

    1. 2013: Gesellschaft und Regierung nach den Gezi Protesten

    Zu den Gezi Protesten ist es in einem unerwarteten Moment gekommen. Aufgrund von verschiedenen Themen richteten sich lauterere Gegenstimmen gegen die AKP. Diese unterschiedlichen Bewegungen trafen aufeinander. Die beabsichtigte Bebauung des Gezi Parks, die Gewalt der Polizei, die sich gegen die Aktivist*innen richtete und ihre Protestzelte niederbrannte, sowie der weitere Verlauf der Ereignisse haben zu einem Massenprotest mitten in Istanbul, am Taksim Platz geführt. Dem Protest, der am 27. Mai 2013 mit knapp 300 Personen begann, schlossen sich mehrere Hunderttausende an. In der gesamten Türkei kam es zu Protesten, und am 1. Juni überließ die Polizei den gesamten Platz den Demonstrant*innen. Selbstorganisiert erschufen die Aktivist*innen einen öffentlichen Lebensraum. Die Polizei gelangte durch massiven Tränengaseinsatz am Abend des 15. Juni erneut in den Park und vertrieb die Aktivist*innen gewaltsam.

    Die Gezi Bewegung hat Menschen aus unterschiedlichen sozialen Kontexten zusammengebracht. Anfangs unterstützten auch AKP Wähler*innen die Kundgebungen, doch als Ministerpräsident Erdoğan und seine Partei die Ereignisse als ein „Putschversuch“ darstellten, war es der Partei möglich die eigene Basis wieder zusammenzufügen. Der hierfür verwendete erfolgreiche Slogan „Yedirtmeyiz“(dt. „Wir lassen es nicht zu, dass er gefressen wird“) sollte hervorheben, dass sich die Proteste gegen Erdoğan richteten, um die Basis in seinem Sinne zu manipulieren.

    Eine besondere Position unter den sozialen Bewegungen nahm die LGBT*I* Bewegung während der Gezi Proteste ein. Diese seit den 1990ern organisierte und in den 2000ern stetig einflussreicher werdende Bewegung hat mit ihrer Gegenwart während der Proteste ein hohes Maß an Sichtbarkeit in der Gesellschaft gewonnen. An der Istanbul Pride, die unmittelbar nach den Gezi Protesten stattfand, nahmen mehrere zehntausende Menschen teil. Fußballclubfans waren eine weitere bedeutende Gruppe während der Proteste. Fan-Gruppen der beiden Istanbuler Fußballvereine Fenerbahçe (FB) und Beşiktaş (BJK) waren schon in der Vergangenheit der Polizeigewalt ausgesetzt und schlossen sich während der Gezi Proteste den Fans von Galatasaray (GS) an. Bilder die FB, BJK und GS Fans gemeinsam abbildeten oder auch solche die Aktivist*innen der BDP (dt. Partei des Friedens und der Demokratie), der MHP (dt. Partei der Nationalistischen Bewegung) und des republikanischen Flügels gemeinsam zeigten, wurden zum Symbol für das Zusammengehörigkeitsgefühl dieser Zeit.

    Die BDP, die an den Protesten teilnahm, wurde beschuldigt und kritisiert keine Massen mobilisiert zu haben. Der kurdischen Bewegung wurde antidemokratische Praxis vorgeworfen, und dies während die Friedensverhandlungen mit der AKP Regierung am Laufen waren. Doch als die türkische Regierung ihre Hilfestellung gegenüber den Kurd*innen unterließ, die in Kobanê an der Grenze zur Türkei gegen den IS kämpften, und viele Kurd*innen die Position vertraten, die Türkei würde sich auf die Seite des IS positionieren, gerieten die Friedensverhandlungen ins Stocken. Mit Solidaritätsprotesten für Kobanê schaffte es die kurdische Bewegung, das von der Türkei getrennte Kurdistan in die türkischen und internationalen Schlagzeilen zu bringen. Die angespannte Situation führte die Beziehung zwischen der kurdischen Bewegung und der AKP zwar zum Zerwürfnis, die Friedensverhandlungen laufen dennoch weiter.

    Dass die Gezi Proteste in den Mainstream-Medien überhaupt nicht auftauchten, war für Kurd*innen kein Novum wohingegen diese Erfahrung für viele türkische Aktivist*innen fremd war.

    Nach den Gezi Protesten zerbrach ferner das Bündnis zwischen der AKP und der Gülen Bewegung. Mehrere Telefonmitschnitte gelangten an die Presse, die die Korruptheit der Regierung sowie andere Vorwürfe illegalen Handelns bezeugen sollten, doch die Regierung wies die Vorwürfe zurück und stellte diesen Skandal als „Putschversuch“ der Gülen Bewegung dar. Die Kommunalwahlen vom März 2014 machten deutlich, dass die Regierung nach wie vor von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird.

    Im Mai 2014 ereignete sich das Massaker von Soma, bei dem nach offiziellen Angaben 301 Bergwerksarbeiter*innen ums Leben kamen. Berichten von überlebenden Arbeiter*innen zufolge wurde die Kohle zu schnell abgebaut, und jedes Anzeichen von Gefahr wurde seitens der Unternehmer*innen zwecks Profit bewusst verdrängt.

    Um den Wachstum der Türkei voranzutreiben wird die zu schnell gewonnene Kohle in Wärmekraftwerke transportiert. Neben den Wärmekraftwerken werden Hydroelektrische -und Nuklearkraftwerke, die allesamt die Umwelt zerstören, für die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei eingesetzt.

    1. Ästhetik der sozialen Bewegungen (Kunst und Aktivismus)

    In den 1960ern bestimmten Student*innenproteste den Alltag, und diese Massenprotestbewegung auszublenden war nicht möglich. Dabei machten Schul- und Universitätsboykotts sowie Demonstrationen die Hauptwiderstandsformen aus. In kürzester Zeit wurden die Proteste militanter. Um nur zwei Beispiele hierfür zu nennen: die 6. US-amerikanische Flotte, die bei Dolmabahçe fest gemacht wurde, musste Istanbul nach heftigen Protesten wieder verlassen; das Auto des US-amerikanischen Botschafters wurde in Brand gesetzt. Die Härte der politischen Basis sowie die Angriffe auf die Demonstrant*innen trugen letztlich zur Militantisierung der Proteste bei. In den 70ern spitzte sich die Situation zu; auf Probleme, die auf Massenkundgebungen nicht zum Ausdruck kommen konnten, wurde durch illegale Aktionen aufmerksam gemacht. Die Zeit war geprägt durch Slogans, Wandschriften und Plakate, die Ausdrucksformen von Selbstrepräsentation waren. Ziel war es mithilfe von zum Kult werdenden Slogans wie z.B. „Nieder mit dem Faschismus“ oder dem Ausruf der politischen Organisation sichtbarer zu werden. Plakate ermöglichten jedoch kreativere, künstlerische Ausführungen. Sie wurden vor allem im universitärem Spektrum hergestellt. Das zu dieser Zeit gegründete Revolutionäre Plakatatelier der Technischen Universität des Nahen Ostens in Ankara (ODTÜ) hat in diesem Zusammenhang ein bedeutendes visuelles Gedächtnis geschaffen.

    Wichtige politische Figuren der sozialen Bewegungen befanden sich nach dem Putsch von 1980 entweder im Exil oder im Gefängnis. Hunger- und Todesstreiks waren Hauptformen des Widerstands der Gefangenen, um ihre Stimmen nach außen zu tragen und um die Verbesserung ihrer Haftbedingungen zu fordern. Um gegen die obligatorischen Gefängnisuniformen und um gegen Folter in Gefängnissen zu protestieren, traten Gefangene in Unterwäsche vor Gericht; eine der originellsten Methode des Protest dieser Zeit.

    Die Zeitschrift Nokta (dt. Punkt) kann als Beispiel herangezogen werden um zu charakterisieren wie Karikatur für zum Zwecke des politischen Widerstands genutzt wurde. Auf einem Titelblatt aus dem Jahr 1986 wurde İhsan Doğramacı, damaliger Präsident des türkischen Hochschulrats (tr. YÖK), dargestellt wie er sich vor dem Eingang einer Universität entleert. Die Tradition der Karikaturzeitschriften politische Autoritäten in den ersten drei Seiten zu karikieren besteht weiterhin.

    Anfang der 1990er schafften sich Arbeiter*innen in Zonguldak durch Massenstreiks Gehör. Dem schlossen sich im Laufe des Jahrzehnts Arbeiter*innen im öffentlichen Dienst, vor allem Lehrer*innen, an. Ende der 1980er tauchten ganz andere Protestformen in der Türkei auf. Mit ihrem Demonstrationszug gegen die Gewalt an Frauen ließen sich die protestierenden Feminist*innen von ihren Männern in einer Massenaktion scheiden und waren Pionier*innen was diese Form von Widerstand angeht. Eine andere Methode der Feminist*innen war es, Männern lilafarbene Nadeln zu verteilen.

    Die Cumartesi Anneleri (dt. Samstagsmütter) wurden zum Symbol für Beharrlichkeit mit ihrer Forderung ihre verschwunden gelassenen Angehörigen wiederzufinden. Die Mahnwachen, die jeden Samstag zwischen 1995-1999 stattfanden, wurden wegen des zu harten Vorgehens der Polizei pausiert. Seit 2009 kommen die Aktivist*innen wieder zusammen mit dem Ziel Gerechtigkeit für ihre Angehörigen zu erlangen. Die Cumartesi Anneleri besetz(t)en regelmäßig mit ihrem Protest einen bestimmten Ort um ihrer politischen Forderung Nachdruck zu verleihen. Sie sind die Vorreiter*innen der Mahnwache als Widerstandsform. Die Adalet Arayan İşçi Aileleri (dt. Angehörigen von Arbeiter*innen, die Gerechtigkeit fordern) haben sich den Mahnwachen der Cumartesi Anneleri angeschlossen um gegen tödliche Arbeitsunfälle zu protestieren.

    Die Arbeiter*innen von TEKEL (Dt. staatliche Betriebe im Bereich der Tabak- und Alkoholproduktion) lehnten das Angebot in verschiedene Beschäftigungsbereichen eingesetzt zu werden ab, weil sie sich darüber bewusst waren, dass dies eine immense Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingung bedeuten würde. 2009 wurden Protestzelte mitten Ankara aufgebaut, und sie besetzten öffentliche Räume. Nach einer doch längeren Zeit wurden die Zelte schließlich per gewaltsamen Polizeieinsatz abgerissen. Die Protestformen des Sit-ins und der Errichtung von Protestzelten wurden 2013 von den Gezi Aktivist*innen aufgegriffen.

    Die bedeutendste künstlerische Form der Protestkultur ist die Musik. Für die alevitische Kultur, die seit Anbeginn der sunnitischen Hegemonie eine Zielscheibe für diese war und somit immer zur Opposition angehörte, ist die Musik eine bedeutende Komponente hierfür. Die Deyiş (dt. Erzählform) überliefern Lieder des Widerstands von den Dadaloğulları, den Köroğulları, und von Pir Sultan Abdal. Ruhi Su war ein außergewöhnlicher Sänger, der Zeit seines Lebens eine bedeutende Sammlung der türkischen Volksmusik arrangierte. Inspiriert von der chilenischen Musikgruppe Inti Ilimani und nach den 1980ern wurden klassische Volkslieder mehrstimmig gesungen und mit Slogans versehen. Die Band Grup Yorum und der Sänger Ahmet Kaya sind nur einige wichtige Beispiele für politisches Engagement von Künstler*innen wohingegen die Band Yeni Türkü in ihren Songs ihrem Widerstand auf eine eher freie und natürliche Art Raum gaben. In der Türkei lernten viele Menschen erst durch den Sänger Kazım Koyuncu und seiner ehemaligen Band Zuğaşi Berepe, dass die lasische Sprache kein Dialekt des Türkischen, sondern eine eigene Sprache ist. Die Gruppe Kardeş Türküler macht mit ihren musikalischen Performances auf die Diversität der Kulturen Anatoliens aufmerksam. Der Song „Bir Şey Yapmalı“ (dt. „Es muss etwas getan werden“) von der Rockband Moğollar wurde auf Kundgebungen gesungen, viele Musikgruppen und Sänger*innen nahmen auch an politischen Feierlichkeiten teil. Auch Album Cover wurden für politische Statements genutzt und liefern eine Vielzahl an visuellem Material. Die Band Bandista kann als ein Beispiel hierfür genannt werden.

    Yılmaz Güney im Film, Sevgi Soysal und Firuzan in der Literatur sind nur einige Namen, die ohne politischen Aktivismus Vorbilder für die politisierende Kunst waren/sind. Die erwähnten Beispiele sollten nicht als Einzelproteste verstanden werden. Vielmehr geht es um die Sichtbarmachung der Stratifikation der sozialen Bewegungen.

    Übersetzung aus dem Türkischen: Berivan Inci

    , 2015 Allgemein \
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    Das Ausstellungsprojekt nimmt zwei Hochphasen des sozialen Widerstands in der Türkei, den 1. Mai 1977 sowie die Gezi-Proteste 2013, als Ausgangspunkte. Reflektiert werden die ästhetischen Besonderheiten von Selbstdarstellungen, Repräsentationen sowie von Kommunikationsprozessen sozialer Bewegungen im öffentlichen Raum. Unter Berücksichtigung der sozialen, ökonomischen und kulturellen Dynamiken, die jene sozialen Bewegungen seit den 1968ern bis in die heutige Zeit beeinflussen, werden deren Kontinuitäten, Besonderheiten und Anknüpfungspunkte untersucht.

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